: Fast wie im richtigen Fernsehen
■ »Drei Drachen vom Grill« — eine Persiflage in drei Folgen aufs Vorabendprogramm im Kreuzberger Moviemento
Das Glück ist ein schier unerreichbarer Wert in der Soap- opera — diese Erfahrung machen genregemäß die Drei Drachen vom Grill in der schwulen Filmparodie auf die (fast!) gleichnamige SFB- Vorabendserie. Die Charaktere bräuchten ein Milieu, schrieb einst Roland Barthes, das auf Durchschnittlichkeit hindeute.
Die Damen-Imitationen Oma Färber (Thomas Goerke), Tochter Magda (Ades Zabel) und Enkelin Margot (Robert Schneider) haben mit ihrem Film exakt das spießige Ambiente der Vorabendvorlage getroffen. Alles ist fast wie im richtigen Fernsehen: die Figuren sind auf der sozialen Ebene des Kleinbürgertums angesiedelt. Durch die niemals verstummen wollende Berliner Schnodderschnauze und das Lokalkolorit des Kiezes (Kreuzberg) wird dies ständig bewiesen.
Drei Drachen vom Grill führt vor, daß die Soap-opera sozusagen das frauenfreundlichste Genre der filmischen Populärkultur darstellt. Die Fragmentarisierung und Fetischisierung des weiblichen Körpers steht nicht im visuellen Mittelpunkt: es sollen ethische Werte vermittelt werden. Die Lebensgeschichten in meist wöchentlicher Fortsetzung leben von Nahaufnahmen. Liebe, Verbrechen, Sterben — diese Themen finden ihre Reflexion auf den Gesichtern der Protagonisten.
So ist das auch hier. Wenn es spannend wird, reißt Magda Färber alias Ades Zabel Augen, Mund und Ohren auf — Schnitt. Ein Erzählstrang wird unterbrochen, ein anderer fortgeführt, das Happy-End-Bedürfnis bis zum Gehtnichtmehr hinausgezögert. Und wie in der konventionellen Fernsehserie muß auch hier die Frau herhalten als geistige und moralische Leitfigur.
Wir erinnern uns an Folge 750, Färbers geben nicht auf, entstanden 1987. Neben der lokalpolitischen Klimax — »Chaoten« mit Antiberliner Gesinnung fackeln den Grilltreff am Kottbusser Damm ab — verliert Enkelin Margot ihren Gatten »Ejon«, der ins homosexuelle Lager konvertiert und lieber als Tunte Karriere im Tiergarten macht. In Folge 751, Der Durchbruch, gedreht im Jahre eins nach Mauerfall, wird die voranschreitende Verelendung der Metropole gezeigt. Vor Färbers Grill lungern verkommene Subjekte herum, und Menschen aus östlichen Ländern wollen Wodka verscherbeln. Schließlich wird Oma Färber von abgebrannten Ossis entführt. Die politische Misere korrespondiert mit dem Verfall im privaten Bereich: Margots Gemahl Otto geht fremd. In der neuesten Folge, Dritte Zähne, kommt der Ehebrecher per Unfall zu Tode und muß im Grunewald verscharrt werden. Wenn die Ehemänner versagen, hilft nur noch Frauensolidarität.
Doch Drei Drachen vom Grill ist mehr als der homosexuelle Angriff auf die kleinste Keimzelle der heterosexuellen Gesellschaft. Schließlich zirkelt alles um die Currywurst. Ist sie nicht gerade von Maden durchsetzt, dann sieht sie garantiert so eklig und fettig aus, daß die Unternehmerinnen des schrägsten Wurstladens der Stadt ihre Ware aus Mitleid mit dem Kundenmagen gratis verteilen. Die schrumpelige Wurst: ein selbstironischer, wenig subtiler Seitenhieb auf den Phalluskult, dem schwule Männer gerne frönen. Andrea Winter
Alle Folgen im Dreierpack täglich, 21.45 Uhr, bis Ende Juni im Moviemento
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