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NACH DEM KUSS WURDE DER PRINZ ZUM FROSCH Von Ralf Sotscheck

Die britische Königin Elisabeth II. feiert heute mit 55tägiger Verspätung offiziell ihren 66. Geburtstag. Long live the Queen— noch nie kam dieser Wunsch königstreuer Untertanen so sehr von Herzen wie jetzt. „Wer will schon einen gefühlskalten Dickkopf wie Prinz Charles als Staatsoberhaupt“, sagt mein englischer Freund Richard mit sorgenvoller Miene — und vergißt dabei offenbar elf Jahre Thatcher-Herrschaft. Oder war das ondulierte Brechmittel gar nicht Königin? Wie dem auch sei: die überwältigende Mehrheit der englischen Bevölkerung gibt dem Thronfolger die Schuld an der Ehekrise und Dianas angeblichen Selbstmordversuchen. Als die Prinzessin am Donnerstag ein Hospiz für Krebskranke eröffnete, schwenkten ihre Fans ein großes Plakat: „Diana, we love you.“ Diana brach auf der Stelle in Tränen aus. Die anwesenden Fotografen konnten ihr Glück kaum fassen: Die königliche Ehestory, die schon fast abgemolken war, hatte noch einmal auflagensteigernden Auftrieb erhalten. Nachrichten aus dem Buckingham-Palast sind allemal spannender als irgendein Krieg in Jugoslawien. Die EngländerInnen sind besessen von ihrer Monarchin samt Familie, und alle fühlen sich als Eheberater berufen. „Charlie, schmus mit ihr“, riet die 'News of the World‘ — aber der will ja nicht, klagen andere Boulevardblätter. Die Traumhochzeit im Juli 1981, die einen nationalen Rührungstaumel auslöste, entpuppte sich schon sechs Monate später als Alptraum, wissen die Buckingham-ExpertInnen. Als Diana damals ihren Prinzen küßte, verwandelte der sich in einen Frosch, lautet ihre Diagnose. Doch je mehr die Medien die königliche Familie sezieren, desto schneller platzt der königsblaue Lack ab: Meinungsumfragen vom Februar 1991 belegen, daß nur noch 55 Prozent der Bevölkerung glauben, die Monarchie werde die nächsten 50 Jahre überleben. Die sommerlochgeplagten Medien haben inzwischen auch in einem anderen hohen Haus eine Ehekrise ausgemacht: Als Premierminister John Major vorübergehend über dem kolumbianischen Dschungel vermißt wurde, was einen Kurssturz an der Londoner Börse verursachte, besuchten seine Kabinettsminister Peter Lilley und Michael Portillo eine Konferenz von Euro-Gegnern. Angeblich haben beide sogar einen dänischen Sprachkurs belegt, was um so verwerflicher ist, nachdem die Dänen bei der Fußball-Europameisterschaft den Engländern einen Punkt abgeknöpft haben.

Vielleicht ließen sich beide Krisen ja durch eine einfache Umwidmung im Gebäudenutzungsplan bereinigen: John Major und Norma ziehen als Königspaar in den Westminster- Palast ein. Dann herrscht endlich Ruhe: Das Ehepaar Gräulich ist nicht mal zu einem Mini-Skandal fähig. Peter Lilley wird mit der dänischen Königin-Tochter vermählt und nach Bornholm abgeschoben. Der alte Haudegen, Außenminister Douglas Hurd, wird Königinmutter. Die bisherige Königinmutter — das bei weitem beliebteste Familienmitglied — wird Alterspräsidentin des Buckingham-Parlaments. Der linke Labour- Abgeordnete Tony Benn, der seit Jahrzehnten für die Abschaffung der Monarchie kämpft, muß zur Strafe ebenfalls nach Buckingham, wo er die Opposition bildet und endlich für seine hehre Sache eintreten kann. Und Thatcher wird Königin der Falklands — sie ist ohnehin gerade dort und feiert den zehnten Jahrestag der Befreiung vom argentinischen Joch. Long live the Queen.

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