Kein Beschluß über Lockerbie-Verdächtige

Tripolis (afp/ap) — Ohne eine Entscheidung über eine mögliche Auslieferung der beiden mutmaßlichen Lockerbie-Attentäter ist am Samstag der erste Sitzungstag des libyschen Volkskongresses zu Ende gegangen. Die Abgeordneten widmeten sich zunächst innenpolitischen Fragen. Der Volkskongreß soll im Verlauf seiner auf drei oder vier Tage dauernden Sitzung darüber entscheiden, ob die beiden Männer ausgeliefert werden, die von Großbritannien und den USA für den Anschlag gegen ein US-Passagierflugzeug im Jahr 1988 verantwortlich gemacht werden. Zum Auftakt des Kongresses hatte der Kongreßvorsitzende Abdel Rassek El Susaa erklärt, die libyschen Gesetze ließen eine Auslieferung eigener Staatsbürger nicht zu, ebensowenig wie die Gesetze anderer Länder. Dies gelte auch für die USA und Großbritannien. An dieser Rede regte sich am Samstag abend Kritik. In Parlamentskreisen hieß es, die Delegierten könnten die Auslieferung der beiden libyschen Staatsbürger beschließen, wie es die UNO fordere. Die Rede stelle keine Resolution des Parlaments dar. Diese könne durchaus gegenteilig lauten.

Am vierten Tag in Folge war zuvor in der Presse Libyens ein Kurswechsel des Regierungspolitik gefordert worden. Am Freitag erklärte die Zeitung 'Al Dschamahirija‘, Tripolis solle seine Mitgliedschaft in der Union des Arabischen Maghreb überdenken, da die anderen Staaten dieser Vereinigung die von den Vereinten Nationen gegen Libyen verhängten Sanktionen unterstützten. Seit Beginn der Woche ist in den Zeitungen und der amtlichen Nachrichtenagentur Libyens eine Kampagne im Gange, die im Ausland als Kritik an dem seit 23 Jahren amtierenden Revolutionsführer Muammar el Gaddafi gewertet wird, die einige Beobachter aber als eine von Gaddafi selbst inszenierte Vorbereitung eines möglichen radikalen Kurswechsels der Regierung betrachten. Im Mittelpunkt steht dabei die Forderung, Libyen solle seine panarabischen Bestrebungen aufgeben und sich auf die eigenen Interessen konzentrieren.