: „Verkauf an den Meistbietenden“
■ Rio schließt die Pforten/ 154 Länder für Arten- und Klimaschutz/ Greenpeace kritisiert den „Ausverkauf der Natur“/ Gipfel-Chef Maurice Strong: Rettung der Welt „entweder jetzt oder nie“
Rio de Janeiro (afp/taz) — Auf dem UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro haben 154 Länder die Konventionen über die Artenvielfalt und den Klimaschutz bis Redaktionsschluß unterzeichnet. Mit der Ratifizierung in den einzelnen Ländern werden beide Konventionen völkerrechtlich verbindend. In dem Streit über die Höhe der an die Entwicklungsländer zu zahlenden Unterstützung wurde in letzter Minute ein Kompromiß erzielt. Wie am Samstag verlautete, soll es den Geberländern nach wie vor freigestellt sein, ob sie die UN- Forderung erfüllen, 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts an die armen Länder zu zahlen. Die Geberländer, die das Ziel noch nicht erreicht haben, sollen sich allerdings verpflichten, dieses anzustreben. Der Gipfel wurde gestern mit einer Feier offiziell beendet. Gipfel-Chef Maurice Strong bezeichnete die Konferenz als „historische Möglichkeit, die es in unserem Leben wahrscheinlich nicht noch einmal gibt, vielleicht sogar nie wieder“. Mehrere Opec-Staaten weigerten sich, der Konvention über den Klimaschutz beizutreten, da Erdöl darin als einer der Hauptverursacher für die Zerstörung der Erdatmosphäre angesehen wird.
Die Dokumente zum Artenschutz sollen am UN-Sitz in New York aufbewahrt werden und noch ein Jahr zur Unterzeichnung offenstehen. Die USA und auch Japan hatten in Rio de Janeiro die Forderung der UNO und der Entwicklungsländer abgelehnt, die 0,7-Prozent-Zielvorgabe mit einem festen Datum zu verbinden. Wie aus Gipfelkreisen bekannt wurde, wollen sich nur einige Länder freiwillig verpflichten, bis zum Jahr 2000 mindestens 0,7Prozent ihres Bruttosozialproduktes an Entwicklungsländer abzugeben. „Der Erdgipfel verkauft die Umwelt an den Meistbietenden“, kritisierte die australische Greenpeace-Aktivistin Michell Seather am Samstag die Großveranstaltung. Sie war zuvor mit sechs weiteren Greenpeace-Mitarbeitern auf den fast 400 Meter hohen Zuckerhut geklettert und hatte ein Spruchband aufgerollt, in dem der Ausverkauf der Welt angeprangert wurde. Die UNO teilte mit, weltweit hätten neun Millionen Menschen einen Aufruf zum Schutz der Umwelt unterzeichnet. Auch auf dem Gipfel lagen Listen der Aktion aus, in die sich zahlreiche Teilnehmer eintrugen.
EG-Kommissionspräsident Jacques Delors wies am Samstag darauf hin, der Erfolg des UN-Umweltgipfels hänge davon ab, ob die Beschlüsse auch in die Tat umgesetzt werden. Dafür bedürfe es insbesondere einer „neuen Form“ des Austauschs zwischen Nord und Süd. Der Schweizer Bundespräsident Flavio Cotti erinnerte die Industriestaaten an ihre besondere Verantwortung im Bereich des Umweltschutzes. Unternehmen, die sich nicht um den Umweltschutz kümmerten, könnten nicht erfolgreich sein, sagte er. Auch die norwegische Ministerpräsidentin Gro Harlem Bruntland appellierte in ihrem Redebeitrag an die Verantwortung der Gipfelteilnehmer. „Man wird uns verantwortlich machen“, sagte die Ministerpräsidentin, die neben der nicaraguanischen Präsidentin Violeta Chamorro als einzige Frau an dem Gipfel teilnahm. „Wir müssen der Welt gegenüber offen zugeben, was wir erreicht haben: Fortschritte in vielen Bereichen, nicht genug Fortschritte in den meisten Bereichen, und gar keine Fortschritte in manchen Bereichen“, sagte sie.
Das Ziel der Industrieländer, Zahlungen in Höhe von 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts an die armen Länder zu leisten, sei durchaus realisierbar. Norwegen erfüllt diese Forderung bereits seit 15 Jahren. Der Emir von Kuwait, Scheich Dschaber el Ahmad el Sabah, forderte die anwesenden Staats- und Regierungschefs auf, die Umweltzerstörung als „Verbrechen gegen die Menschheit“ zu ahnden. Die Schuldigen müßten streng bestraft werden, forderte der Emir auf der Vollversammlung. Gerade sein Land sei im vergangenen Jahr durch die brennenden Ölquellen Opfer einer der größten Umweltkatastrophen in der Geschichte der Menschheit geworden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen