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»Möwen« statt Carepakete

■ Ostberliner Künstlerklub »Die Möwe« erwacht zu neuem Leben/ Künstlerische Eigenproduktionen sowie die größte theaterwissenschaftliche Fachbibliothek Europas

Berlin. »Die Amerikaner verteilten die Carepakete, die Russen schufen die ‘Möwe‚.« Mit diesen Grußworten schickt der russische Philosoph und Germanist Arsenij Gulyga den Ostberliner Künstlerklub »Die Möwe« auf den Tag genau 46 Jahre nach seiner ersten Gründung durch die Alliierten am 15. Juni 1946 in eine neue Zukunft. Gulyga gehörte seinerzeit neben Wolfgang Langhoff, Friedrich Wolf und Erich Engel zu den Gründungsmitgliedern und lernte in dem Klub unter anderen Jürgen Fehling, Karl-Heinz Martin und Gustaf Gründgens kennen. Auch Bertolt Brecht, Hanns Eisler, Paul Dessau und Johannes R. Becher verkehrten in dem um 1830 erbauten früheren Bülowschen Palais, das in den 20er Jahren Sitz einer Freimaurerloge und eines jüdischen Kulturvereins war.

Der nach der Wende von 1989 wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse vorübergehend in einen Dornröschenschlaf verfallene Künstlerklub in der Luisenstraße unweit des Reichstagsgebäudes soll jetzt zu neuem Leben erwachen. So jedenfalls formulierten es gestern Sprecher des Stiftungsvereins »Möwe« und die neuen Eigentümer, die »Möwe-Grundstücksverwaltungs GmbH«, auf einer Pressekonferenz. Gleichzeitig gab es ein ganztägiges Eröffnungsfest mit Musik, Kabarett und Film, dem sich noch eine lange »Möwe-Nacht« anschließen sollte.

Die Möwe will weiterhin öffentliche Klubveranstaltungen »unterhaltsamen und bildenden Charakters« sowie künstlerische Eigenproduktionen anbieten und vor allem die größte theaterwissenschaftliche Fach- und Leihbibliothek Europas zur allgemeinen Nutzung zur Verfügung stellen. Das alles soll verbunden werden »mit der Tradition des lebendigen Künstlercafés«. Zur Zeit sind in dem Klub 43 ABM-Stellen und zwei befristete Regiestellen eingerichtet. Mit Stiftungsgründung weren 18 Festanstellungen angestrebt.

Als Schwerpunkte der künftigen Möwe-Arbeit nannte Michael Fischer vom Künstlerklub unter anderem »die Jahrtausendbeziehung Rußland-Deutschland«, der Einfluß jüdischer Kulturen auf die europäische und deutsche Kultur, die »Suche nach neuen Kommunikationsformen zur Wirtschaft und Politik«, die Themen »Berlin und europäische Stadtkultur« sowie die »neue europäische Kultur«.

Die neuen Eigentümer, die über den Kaufpreis von dem privaten Vorbesitzer keine Angaben machen wollten, versicherten am Montag vor Journalisten, daß der Künstlerklub auf jeden Fall erhalten bleiben soll, unabhängig von Plänen für Erweiterungsbauten für anderweitige Nutzungen auf dem Grundstück. Der Klub genieße vertraglichen Bestandsschutz. dpa

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