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Aus der Bastelwerkstatt der Stasi

■ Stasi-Ausstellung im Mielke-Haus erweitert/ Finanzielle Zukunft ungewiß

Lichtenberg. Eine Kamera in einer Baumhöhle, aus dem Nistkasten lugt ein kleines Objektiv. Infrarot-Scheinwerfer hinter Trabi- Türen, verdächtige Bewegungen werden auf Band gespeichert. Ein Stadtführer mit einem kleinen Loch in der Mitte, dazwischen die Minox-Geheimdienstkamera. Ein Holzmodell mit allen Schleichwegen unter dem S- Bahnhof Friedrichstraße: alles Hilfsmittel, um die eigene Bevölkerung auszuspionieren, alles Produkte der Bastelwerkstatt der Stasi.

Zu sehen sind diese James- Bond-Imitate seit gestern am historischen Ort, in der Hochburg der Stasi-Schreibtischtäter, heute Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße. Die dort seit November 1990 bestehende Ausstellung wurde um einige Themenbereiche erweitert, andere umgestaltet. Neu hinzugekommen ist der Komplex »Internierungslager in der SBZ 1945-1950«. An elf Orten gab es solche Lager, nach offiziellen sowjetischen Angaben wurden über 120.000 Personen interniert, kleine und große Nazis, angebliche »Werwölfe«, renitente Sozialdemokraten und willkürlich Festgenommene. Mindestens 13.000 Menschen wanderten von Sachsenhausen, Buchenwald oder Torgau in die Arbeitslager nach Sibirien. Neu aufgenommen wurde in die Ausstellung auch das Schicksal politisch Verfolgter in der DDR. Exemplarisch für Zigtausende stehen Lebensgeschichten, so von Eva Fischer. Sie wurde 1958 wegen »Verdachts auf Verrat am Weltfrieden« zu drei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Oder Wolfgang Stegemann, der das Gefängnis als Querschnittsgelähmter verließ, gefoltert, weil er in den 50er Jahren Werbeschriften von einer Industrieausstellung im Westen mitnahm. »Boykotthetze« hieß der Vorwurf.

Unverändert als »Zeitdokument« geblieben sind die Arbeitsräume des Stasi-Chefs Mielke im ersten Stock des »Haus 1«. Auf dem Mielke-Sofa liegen immer noch die drei Häckelkissen, und im Gästezimmer stehen immer noch die stockbiederen Plastesessel mit ihren ockerfarbenen Strickpolstern. Obwohl das Museum jede Woche von unzähligen Touristen besucht wird, steht die weitere Finanzierung auf wackligen Füßen. Die derzeit 13 ABM-Stellen sind nur bis Oktober 92 befristet. Noch unklarer sieht die Zukunft der im dritten Stock gelegenen Hilfsorganisationen aus. »HELP e. V.«, deren wöchentliche Sprechstunden regelmäßig überlaufen sind, verfügt nicht einmal über ein Telefon. Unbill droht auch vom Finanzsenator Pieroth. In den beiden oberen Stockwerken residiert das Finanzamt und möchte sich nach unten ausdehnen. aku

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