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Volksentscheid

■ betr.: "Die DänInnen als Vorreiter", "Gulliver und Europa", taz vom 5.6.92

Betr.: „Die DänInnen als Vorreiter“ (Plädoyer für EG-weite Maastricht-Referenden) von Donata Riedel, „Gulliver und Europa“ (Über Volkssouveränität und deutsche Sonderwege) von Ulrich Hausmann, taz vom 5.6.92

Alle Welt regt sich nun über die Dänen auf, die dem großen hehren Ziel „Europa“ einen Stein in den Weg gelegt haben. Dabei ist es das Selbstverständlichste von der Welt, daß der Souverän einer Demokratie, nämlich die Bevölkerung, das letzte Wort hat. Viele — vor allem aus den Reihen der Parteien — wundern sich immer noch über die allenthalben grassierende Politikverdrossenheit. Wenn ich aber alle vier Jahre „meine Stimme abgeben“ darf und im übrigen die Politiker damit machen, was sie wollen, ist das doch nicht mehr als verständlich.

SPD-Funktionäre, wie Karsten Voigt, die angeblich das Instrument des Volksentscheids bejahen, ziehen plötzlich das Uraltargument aus der Kiste, die Materie sei „derart kompliziert, daß dann letztlich die populistischen Argumente von Demagogen“ den Ausschlag gäben. Dahinter verbirgt sich das grundsätzliche Mißtrauen vor den Menschen und ihrem Demokratievermögen. Wenn wir fähig sind zu wählen — wobei den Parteidemagogen erst Tür und Tor geöffnet sind — sind wir auch fähig abzustimmen.

Was die Dänen, die Schweizer, ja selbst die Franzosen können, das können wir auch. Die neue deutsche Verfassung ist eine gute, vielleicht sogar auf absehbare Zeit die letzte Gelegenheit, die dreistufige Volksgesetzgebung zu verankern. Wir sollten die verantwortlichen Politiker dazu ermuntern. [...] Rainer E.Rappmann,

Wangen/Allgäu

Jedesmal, wenn wichtige Fragen anstehen und das Volk eine Volksabstimmung fordert (80 Prozent sind für einen Volksentscheid zur Europa) kommt die lakonische Antwort der Regierung: „Ist in der Verfassung nicht vorgesehen.“ Dies war bei der Einheit Deutschlands, bei der Hauptstadtfrage, Paragraph 218, Jäger90 und und und so.

Wie lange wollen sich die Politiker noch hinter dieser Antwort verstecken. Im Oktober 1992 will die „Gemeinsame Verfassungskommission“ in Bonn über die Einführung der Volksabstimmung ins Grundgesetz entscheiden. Dann wird es sich zeigen, wie ernst es den Politikern mit der Demokratie ist. Ich hoffe sie entscheiden richtig. Brigitte Krenkers, Heinsberg

Na endlich kommt Bewegung in die europäische Demokratiediskussion. Wir können den Dänen nur danken, daß sie die europäischen Politiker zum Nachdenken gezwungen haben. Natürlich gibt es zu Europa keine Alternative mehr, viele Probleme lassen sich im rein nationalen Kontext nicht mehr lösen. Es gibt aber eine Alternative zu einem zentralistischen, undemokratischen, nicht legitimierten Machtapparat. Diese Alternative gilt es zu entwickeln. In diesem Zusammenhang wird auch in anderen Ländern der Ruf nach einem Europavolksentscheid immer lauter (Frankreich, Irland, England etc.).

Für die Deutschen sind laut Pressemeldungen führender Politiker aus CDU und FDP die Maastrichter Verträge allerdings zu komplex, um darüber abzustimmen. Das Volk, das Souverän der Demokratie ist dumm, die schlauen Bonner Politiker haben alles sicher im Griff. In diesem Zusammenhang soll am 15.Oktober die Aufnahme von Volksbegehren und Volksentscheid in die Verfassung endgültig verhindert werden. Michael Seipel, Bonn

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