: Bund klagt um 200 Millionen Koko-Gelder
Berlin (dpa/taz) — Seit gestern läuft in Berlin ein Pilotverfahren, in dem die Bundesrepublik versucht, Gelder, die über die Tarnfirmen Schalck—Golodkowskis verschoben wurden, für die Bundeskasse zurückzugewinnen. Der Bundesfinanzminister klagt vor dem Berliner Landgericht rund 200 Millionen Mark von der Ostberliner Firma F.C. Gerlach ein, die dem ehemaligen DDR-Außenhandelsimperium Kommerzielle Koordinierung (Koko) angehört haben soll. Grundsätzlich muß in dem Zivilverfahren geklärt werden, ob das Unternehmen, dessen Chef Michael Wischnewski ein ehemaliger Vertrauter von Alexander Schalck-Golodkowski war, tatsächlich der Koko angehört hat oder Wischnewskis Privateigentum ist. Erkennt das Gericht an, daß Wischnewski eine Schachfigur im Schalck-Imperium war, würde das Vermögen der Firma, das im vergangenen Jahr teilweise in Lichtenstein und Israel sichergestellt worden war, der Bundesrepublik zustehen.
In dem jetzt begonnenen Prozeß geht es zunächst nur um die Herausgabe eines Gebäudes der Firma F.C. Gerlach in der Parkstraße 77 in Berlin-Weißensee und um Auskunft über Kontenbewegungen. Eine Entscheidung in diesen Fragen ist aber nach übereinstimmender Ansicht der Anwälte beider Parteien auch für die von der Bundesrepublik bereits erhobenen und angekündigten Klagen im Hinblick auf das weitere Vermögen der Firma von vorentscheidender Bedeutung.
Nach dem Ermittlungsstand hat das Finanzministerium gute Karten. Schalck-Golodkowski hat bei Vernehmungen durch das BKA eindeutig erklärt, die F.C. Gerlach sei eine Firma aus seinem Unternehmensbereich und ganz klar seinen Weisungen unterstellt gewesen. Aus den Akten, die im Schalck-Untersuchungsausschuß vorliegen, geht hervor, daß die F.C. Gerlach von der Koko- Hauptabteilung 1 geführt wurde, die direkt mit der HVA des Markus Wolf gekoppelt war. Mehrmals im Jahr lieferte Wischnewski Barbeträge in Millionenhöhe bei Schalck-Golodkowski ab, zuletzt noch im November 1989, nur wenige Tage bevor Schalck sich nach Westen davonmachte.
Der Vorsitzende Richter, Peter Hönisch, sagte, das Urteil im ersten Prozeß sei in einigen Wochen zu erwarten. Der Rechtsstreit über die Wischnewski-Millionen wird aber auf alle Fälle noch Jahre dauern. Der Anwalt Wischnewskis, Michael Bärlein, sagte, er werde für seinen Mandanten in jedem Fall den Bundesgerichtshof und möglicherweise auch das Bundesverfassungsgericht anrufen. Der 71jährige Wischnewski, der im Januar dieses Jahres wegen der Verschiebung von Millionenbeträgen ins Ausland angeklagt worden ist, gilt als einer der schillerndsten Figuren im Ost-West-Handel. Wischnewski soll auch in den 70er Jahren in undurchsichtige Wertpapiergeschäfte verstrickt gewesen sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen