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Arzt rät, Brückenstraße zu sperren

■ In Berlins am höchsten belasteter Straße: Krebsrisiko für Anwohner durch Autoabgase höher als bei Asbest in Schulen/ BUND fordert Verbot für LKW/ Gesundheitsverwaltung unternimmt nichts

Mitte. Die Polizei müßte sofort die Brückenstraße in Mitte sperren, um die dortigen Anwohner vor den Gesundheitsgefahren durch die Autoabgase zu schützen. Dies rät der Arzt und ehemalige Gesundheitsstadtrat Johannes Spatz. Anwohner der Straße unweit des Alexanderplatzes würden derzeit einem weit größeren Risiko ausgesetzt als beispielsweise Kinder in asbestverseuchten Schulen. Die Bildungsstätten seien schon bei einem viel geringeren Gesundheitsrisiko geschlossen und saniert worden.

Nach einem Gutachten der Umweltverwaltung zur Luftbelastung durch den Verkehr ist die Brückenstraße die am höchsten belastete Straße Berlins. Offenbar konzentrieren sich aufgrund der engen Straßenschlucht Auspuffabgase besonders stark. Der Wert von Benzol, das Blutkrebs (Leukämie) verursacht, liegt bei über 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Der Wert für Dieselruß, der Lungenkrebs auslöst, beträgt mehr als 33 Mikrogramm. Die Schadstoffkonzentration bezeichnet Spatz als »schwindelerregend«. In der Straße an der Jannowitzbrücke erkranke statistisch gesehen zusätzlich einer von 2.000 Anwohnern an Leukämie und zusätzlich einer von 562 Anwohnern an Lungenkrebs. Der Arzt beruft sich bei seiner Rechnung auf eine Risikostudie des Länderausschusses Immissionsschutz des Bundestages.

Um das Gesundheitsrisiko zu verdeutlichen, führt der ehemalige Gesundheitsstadtrat in einem Schreiben an die taz einen Vergleich mit dem Thema Asbest an. Nach der Berliner Asbestrichtlinie würden Schulen bereits geschlossen, wenn die Gefahr bestehe, daß irgendwann in seinem Leben eines von 5.000 Kindern auf Grund der krebsauslösenden Fasern erkranken könne. In der Richtlinie sei dann bereits von einer »konkreten Gefahr« die Rede. »Wenn die Zahlen stimmen, müßte die Straßenverkehrsbehörde Maßnahmen ergreifen, um die Schadstoffbelastung in der Brückenstraße auf ein akzeptables Maß zu reduzieren«, sagte Rechtsanwalt Klaus Groth der taz auf Anfrage.

Doch die Verkehrsverwaltung fühlt sich nicht zuständig. »Wir sind weder die Umwelt- noch die Gesundheitsverwaltung«, erklärte Sprecherin Uta-Micaela Dürig, »wir können die Gesundheitsrisiken nicht prüfen.« Es sei an die Verkehrsverwaltung bisher auch nicht herangetragen worden, wie gefährlich die Schadstoffbelastungen für Anwohner sind. Die Umweltverwaltung verweist an die Gesundheitsverwaltung. Die wiederum will »telefonisch« keine Auskünfte zur Gesundheitsgefahr für Anwohner der Brückenstraße geben. »Das ist ein diffiziles Thema«, begründet Robert Vogel, stellvertretender Leiter der Umweltmedizin, sein Schweigen zur Sache. Er bestätigte immerhin, daß die Luft dort »mies« sei. Mit der Umwelt- und der Verkehrsverwaltung bemühe man sich, eine Lösung zu finden.

Anwohner wollen sofortige Abhilfe. Zusammen mit dem BUND demonstrieren sie morgen um 16 Uhr in der Straße. Sie fordern, daß für Lastwagen die Durchfahrt unverzüglich verboten wird. Durch die Brückenstraße fahren täglich 3.100 LKW — so viele wie auf der Frankfurter Allee und viermal mehr als auf dem Ku'damm. Dirk Wildt

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