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Drogenpolitik nicht auf Entzug fixiert

■ Gesundheitssenator Luther will mehr Hilfsmaßnahmen für Junkies/ Straffreie Vergabe von Spritzen

Berlin. Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) will sich künftig stärker in die als restriktiv bekannte Berliner Drogenpolitik einmischen. »Wir sind nicht bereit, die Gesundheitspolitik so anzupassen, daß das Prinzip des Entzuges über allem steht«, sagte Wolfgang Erichson, Leiter des Büros des Gesundheitssenators, zur taz. Bei einem »Chefgespräch« hätten sich Luther und Jugendsenator Krüger (SPD) jetzt auf ein »Stillhalteabkommen« geeinigt. Die Jugendverwaltung habe zugesichert, nicht mehr in Aids-präventive Maßnahmen der Gesundheitsverwaltung hineinzureden.

Bisher habe der Landesdrogenbeauftragte Wolfgang Penkert ihr regelmäßig vorgeworfen, Gruppen zu fördern, die nicht das Abstinenzprinzip vertreten, und so seine drogenpolitische Linie konterkariert. »Im Sinne der Prävention sind Spritzenautomaten nicht kontraproduktiv, sondern notwendig«, so Erichson.

Nachdem seit geraumer Zeit immer lauter die mangelnde gesundheitliche Versorgung von Junkies in Berlin kritisiert worden ist, sollen nun erstmals offizielle Entgiftungsbetten eingerichtet werden. Im Urban- sowie im Elisabeth-Krankenhaus sollen Junkies künftig entgiften können, ohne sich von vornherein auf eine anschließende Therapie zu verpflichten. Auch die methadongestützte medizinische Behandlung von Drogennotfällen, die bisher so gut wie nicht vorkam, soll dort ermöglicht werden.

Vor einigen Wochen hatten die Gesundheitsstadträte der drei Innenstadtbezirke Tiergarten, Schöneberg und Charlottenburg beklagt, daß Drogenabhängige reihenweise aus den Krankenhäusern türmten, sobald die Entzugserscheinungen einsetzen, und somit quasi aus dem Gesundheitssystem herausfielen.

Mit der Methadonvergabe in Krankenhäusern könnte die Zahl der Substituierten in Berlin deutlich ansteigen. Wenn die Kassenärztliche Vereinigung den Krankenhäusern gestatte, auch über den stationären Aufenthalt hinaus zu substituieren, könnten die Patienten auch nach der Entlassung mit Methadon versorgt werden, so Erichson. Bisher erhalten vierhundert Leute in Berlin die Ersatzdroge von niedergelassenen Ärzten, deren Kapazitäten so gut wie erschöpft sind. »Es macht aber keinen Sinn, die Leute im Krankenhaus zu substituieren und dann wieder auf die Szene zu schicken«, so Erichson.

In der vergangenen Woche hatte der Bundestag einer Bundesratsinitiative zugestimmt, nach der die Abgabe von Spritzen künftig straffrei sein soll. Sollte die Initiative am 3.Juli auch den Bundesrat erfolgreich passieren, könnten auch in den Berliner Gefängnissen künftig Spritzen vergeben werden. In Tegel benutzen immer noch viele Junkies über Wochen ein und dieselbe Spritze. Das Infektionsrisiko mit HIV ist enorm. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen verdoppelt sich der Anteil der HIV-positiven Junkies im Gefängnis. Die Vergabe von Spritzen im Knast hatte zu Beginn des Jahres bereits die Fraktion Bündnis90/ Grüne im Berliner Abgeordnetenhaus gefordert. Nach Interpretation der Justizverwaltung stand dem bisher das Betäubungsmittelgesetz im Weg. Bei einer Novellierung des Gesetzes solle ein Weg, Spritzen für Junkies im Knast zugänglich zu machen, »unmittelbar nach der Sommerpause« in Angriff genommen werden, versprach Erichson. Jeannette Goddar

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