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Osten will Privatsender

■ Radio-Rangliste der diesjährigen Media-Analyse/ Nur Info-Radio paßt nicht in die Systematik

Berlin. Gestern knallten in der Paulsborner Straße in Grunewald die Sektkorken: Froschfunk Hundert,6 ist nach wie vor der meistgehörte Radiosender in der Stadt. An zweiter Stelle der Beliebtheitsskala rangiert nach Angaben des SFB das Programm von RIAS 2, das nach der Untersuchung, die von Januar bis März stattfand, privatisiert wurde. Peter Schiwy, Chef des Nachfolgers r.s.2, kann nun mit Zuversicht dem Tag entgegensehen (1.9. 92), an dem es auch r.s.2 gestattet sein wird, Werbung auszustrahlen. Auf Platz drei der Senderhitliste hat sich »Shootingstar« 104,6 RTL (190.000 HörerInnen pro Stunde) mit moneyman und Tasche voll Asche katapultiert.

Das ist das Ergebnis der diesjährigen Media-Analyse (MA) der werbetreibenden Wirtschaft. Alljährlich wird die »Leitwährung« für den Werbezeitenverkauf der Rundfunksender erhoben. Die »Stundenreichweiten«, aufgeteilt in Ost und West sowie Geschlecht, werden von den Sendern nun unterschiedlich interpretiert. So feiert Radio Energy (50.000 HörerInnen) den Siegeszug des Formatradios, während man im Haus an der Masurenallee auch glaubt, Grund zur Freude zu haben. Zwar hockt die sogenannte »Infowelle« SFB 2 nach wie vor auf absteigendem Ast, doch hat das auf Heimatfunk getrimmte »88,8« (vormals SFB 1) deutlich zugelegt. Auch Radio- 4U-Chef Helmut Lehnert kann aufatmen. Mit seinem Programm geht es bergauf. Zählt man, wie es SFB- Chef Günther von Lojewski tut, alle SFB-Programme zusammen, so ist der Sender »in ganz Berlin wieder an der Spitze«. Darob ist der Chef »erfreut«, einzig die Tatsache, daß die Akzeptanz der Landesrundfunkanstalt im Osten weit unter West-Niveau liegt, bereitet ihm Kummer.

Wie schon im Fernsehbereich zeigen nun auch im Hörfunk die OstberlinerInnen eine ausgesprochene Vorliebe für Privatsender. Sei es Hundert,6, 104,6 RTL oder Energy, sie alle haben im Osten mehr HörerInnen als im Westen, obwohl (oder gerade weil) sie kaum auf die Empfindlichkeiten der OstlerInnen eingehen. Auch der auf Ost gepolte Berliner Rundfunk kommt nicht im mindesten an das Wahlergebnis der PDS heran. Jenseits des Potsdamer Platzes will man sich einfach nur berieseln und nicht vollquatschen lassen. Das muß auch DT64 registrieren. Der aufmüpfige Jugendsender erleidet mit umgerechnet 1,6 Prozent eine echte Schlappe. Gänzlich zwischen den Maschen der MA durchgeflutscht ist Inforadio. Der Nachrichtenkanal ist gar nicht erfaßt worden. Das liege in der Natur der Dinge, meint der neue Geschäftsführer, Rolf Schater. »Inforadio paßt einfach nicht in die Systematik der MA.« mail

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