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„Kontinuität der Ausgrenzung“

Beim Bautzen-Forum thematisierten ehemalige politische Häftlinge der DDR die Ost-Politik der BRD  ■ Aus Bautzen Detlef Krell

„Endlich vom Kopf auf die Füße stellen“ wollte das dritte Bautzen- Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Als „absurden Demokratismus“, kritisierte der Leipziger Mitarbeiter der SPD-nahen Stiftung, Winfried Schneider-Deters, daß ehemalige Stasi-Führungsoffiziere „ungestraft und gut versorgt“ ins Privatleben abtauchen konnten und ehemalige SED-Bezirksfunktionäre in Parlamenten sitzen, „während ihre freiwilligen oder verführten Mitarbeiter entlarvt und gejagt werden“. Es sei an der Zeit, „das Gerechtigkeitsbedürfnis der Bevölkerung wieder auf die Zentren der Macht zu richten“.

Angesichts der Behelfskonstruktion, mit der die bundesdeutsche Justiz derzeit dem Stasi-Minister Mielke beizukommen versucht und des Katz-und-Maus-Spieles im Fall Honecker verhallten diese Worte nur als reine Rhetorik. Aus den Reden der ehemaligen politischen Häftlinge, die im berüchtigten „Gelben Elend“, dem Bautzener Zuchthaus eingesessen hatten, sprach vor allem herbe Enttäuschung.

„Völlig unzureichend“ sei der im „Unrechtsbereinigungsgesetz“ vorgesehene Entschädigungssatz von 10 Mark für jeden erlittenen Hafttag, kritisierte der Vorsitzende des Bautzen-Komitees, Benno von Heynitz, der nun eine Initiative der Sozialdemokraten im Bundesrat erwartet. Wenn ihr Recht auf Entschädigung mit der Bonner Sparpolitik gewogen werde, sei das „politische Infamie“.

Einer, der „nicht gesessen“, aber zehn Jahre im Beruf behindert wurde, erntete den Beifall des Saales, als er von der „Kontinuität der Ausgrenzung“ nach der deutschen Einheit sprach. Er beobachte eine „schichtenspezifische Wiedervereinigung“, ein jeder finde sich unter seinesgleichen wieder.

Zentrale Fragen des Forums: War Gewaltherrschaft notwendige Konsequenz oder vermeidbarer Aussatz der kommunistischen Ideologie? Welche juristischen Chancen zur strafrechtlichen Verfolgung der Regierungskriminalität bestehen? Allein in Sachsen laufen 4.000 Ermittlungsverfahren; nach Angaben von Justizminister Steffen Heitmann (CDU) könnten es langfristig 50.000 werden.

Für Oberstaatsanwalt Hans Jürgen Grasemann von der Erfassungsstelle Salzgitter stellt sich die Verfolgung deshalb weniger als ein juristisches, denn als Kräfteproblem dar. Jetzt bekannt gewordene Dokumente belegen, daß in der DDR mindestens 200 Menschen aus politischen Gründen zum Tode verurteilt wurden. 150.000 „Politische“ standen vor Gericht. In den Jahren 1945 bis 1949 sind durch sowjetische Militärtribunale mehr als 27.000 Urteile gefällt worden.

Der Publizist Karl Wilhelm Fricke, selbst ein ehemaliger Bautzen-Häftling, führte an Beispielen aus der Praxis der Strafjustiz in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR vor, wie die „sozialistische Gesetzlichkeit“ als eine, so die offizielle Terminologie, „Methode in der Führung des Klassenkampfes“ zu funktionieren hatte. Fazit des Plädoyers, das stenografisch die „Instrumentalisierung der Rechtssprechung“ darstellte: Diese Art Justiz war „keine willkürliche Manipulation, sie war systemimmanent“.

Nach historischen Wurzeln des Desasters suchte Wolfgang Schuller, Professor an der Uni Konstanz. Er fand sie sowohl im Altertum als auch im frühen Christentum, besonders aber bei der französischen Revolution. Allen diesen revolutionären Bewegungen seien die „gleichen Elemente“ eigen, folgerte der Historiker. „Der Glauben, dem gesellschaftlichen Fortschritt zu dienen, das daraus resultierende exzellente Gewissen und die Praxis der Geheimbünde mit strengster innerer Disziplin“ brachte eine „Elite hervor, die meinte, alles zu dürfen“.

Zwar sei der deutsche Nationalsozialismus wegen seiner „Verzahnung mit dem alten Bürgertum“ komplexer und weniger eindeutig, referierte er weiter, „aber man wird wohl sagen können, daß sogar dessen abstoßendster und furchtbarster Charakterzug, der biologistische Rassismus, mit einer Art Fortschrittsverkündigung einherging, insofern als doch wirklich geglaubt wurde, mit der Ausrottung der Juden und Zigeuner etwas wissenschaftlich Begründbares zu tun“.

An dieser Art Historikerstreit waren die „Ehemaligen“ nun doch nicht interessiert. Zur Überraschung des Auditoriums brachten sie ihre eigenen Erfahrungen mit der damaligen Ost-Politik der Bundesregierung zur Sprache. „Selbst die Stasi war 1989 nicht mehr motiviert“, meinte einer, „alle wußten, daß es zu Ende geht mit der DDR. Nur in Bonn hat es keiner gemerkt.“ Scharf kritisierten sie den Ehrenempfang für Honecker in Bonn und die Ignorenz der Bundesregierung gegenüber den Oppositionellen aus der Friedensbewegung.

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