„Meretz“ setzt auf Koalition mit Rabin

Linksliberale Listenverbindung tritt für Anerkennung der Rechte der Palästinenser ein/ Trennung von Staat und Religion und Gleichberechtigung der Frauen im Programm der „Tauben“ in der Knesset  ■ Von U. Klein und M. Schlickwei

Schulamit Aloni ist die bekannteste Politikerin im neuen israelischen Linksbündnis „Meretz“. Im Wahlkampf wirbt sie für ihr politisches Ziel, „ein demokratisches Israel, das mit den PalästinenserInnen und den arabischen Nachbarn in Frieden lebt“. Aloni ist Spitzenkandidatin der drei Parteien, die sich zur Listenverbindung „Demokratisches Israel/ Meretz“ zusammengeschlossen haben: die sozialistische „Mapam“, die liberale „Shinui“ und die Bürgerrechtspartei „Ratz“. Sie sind die „Supertauben“ in der Knesset, wo sie bislang insgesamt 10 von 120 Sitzen innehaben. Bei den Wahlen am 23.Juni wollen sie drittstärkste Kraft im israelischen Parlament werden, um dann in einer Koalition mit der Arbeitspartei Rabins die stramm rechte Regierung Schamirs zu stürzen. Auf den ersten 15 Listenplätzen treten auch zwei arabische Kandidaten an.

Nur ein starker Meretz-Block, so meinen die UnterstützerInnen der Gruppierung, zu denen eine Reihe Prominenter wie der Schriftsteller Amos Oz zählen, kann den Tauben innerhalb der Arbeitspartei das nötige Durchsetzungsvermögen bei der Gestaltung der Friedensgespräche verschaffen. Meretz, zu deutsch Tatkraft, werde „alles Erdenkliche tun, um die Besatzung und die Unterdrückung eines anderen Volkes durch den Staat Israel zu beenden“, sagt die 63jährige Aloni, die 1973 aus der Arbeitspartei ausgetreten ist und die Bürgerrechtsgruppe „Ratz“ gründete.

Es sind nicht nur grundsätzliche Erwägungen, sondern auch ganz pragmatische Überlegungen, die nach Ansicht der Meretz-VertreterInnen für das Selbstbestimmungsrecht der PalästinenserInnen sprechen. Der Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten, wie es die UN- Resolution 242 fordert, und die Einstellung aller Siedlungen seien notwendig, um Israel vor der wirtschaftlichen Katastrophe zu bewahren. Allein der Siedlungsbau in den besetzten Gebieten verschlingt ein Prozent des Gesamtetats der israelischen Regierung. Eine Verbesserung der ökonomischen Lage erwartet sich Aloni von einem israelischen Rückzug: „Wir würden die US-amerikanischen Kreditgarantien bekommen und finanzielle Hilfe von der EG. Und der Boykott gegen uns würde gestoppt“, meint sie.

Meretz spricht sich dafür aus, die PLO als Verhandlungspartnerin zu akzeptieren. Das dürfte selbst bei der eigenen Basis nicht unumstritten sein. Dagegen ist die Forderung nach Einhaltung internationaler Rechtsbestimmungen, vor allem der Genfer Konvention, in den besetzten Gebieten in der Übergangszeit kein Streitthema. Nach den jüngsten Enthüllungen über die Praktiken des israelischen Geheimdienstes und des Militärs mußte endlich eine größere Öffentlichkeit in Israel zur Kenntnis nehmen, daß im Gaza und der Westbank Unschuldige inhaftiert, gefoltert und sogar ermordet wurden.

Weitgehende Einigkeit besteht unter den drei Parteien darüber hinaus bei der Forderung nach strikter Trennung von Staat und Religion. Dies war schon bei der Gründung von „Ratz“ eines der wichtigsten Anliegen. Denn die israelische Liaison hat vor allem für die Frauen massive Konsequenzen. So ist es in Israel beispielsweise nicht möglich, sich staatlich trauen oder scheiden zu lassen. Die volle Gleichbereichtigung der Frauen und der Ausbau des öffentlichen Erziehungssystems gegenüber den religiös ausgerichteten Institutionen stehen darüber hinaus in dem Programm. Nicht einigen dagegen konnten sich die drei in Meretz zusammengeschlossenen Gruppierungen über eine gemeinsame Wirtschaftspolitik.

Unsicher aber ist, ob die WählerInnen der drei Parteien die Listenverbindung so honorieren werden, wie es Schulamit Aloni erhofft. So lehnen nicht wenige UnterstützerInnen der liberalen Shinui die Blockbildung mit der sozialistischen Mapam ab. Nach der Wahl müßte darüber hinaus möglicherweise nach weiteren Koalitionspartnern gesucht werden, wenn die Sitze für eine Mehrheit von Arbeitspartei und Meretz nicht ausreichen. Hier bieten sich die arabischen Listen an. Diese sind allerdings untereinander so zerstritten, daß sie an der 1,5-Prozent- Hürde scheitern könnten. Blieben jene orthodoxen Parteien, die zu Zugeständnissen bei der Territorialfrage bereit wären. Eine Zusammenarbeit mit diesen Gruppen würde aber voraussichtlich verhindern, daß das ehrgeizige Bürgerrechtsprogramm Eingang in die Regierungspolitik fände. Angesichts der Tatsache, daß auch die Arbeitspartei einen völligen Stopp der Siedlungsaktivitäten ablehnt, bleibt jedoch ohnehin offen, was in der angestrebten „linken Regierung“ von den Forderungen der Meretz übrigbleiben wird.