: Fücks fällt durch beim Seniorentest
■ Der grüne Umweltsenator auf dem Sofa bei der 50. „Senioren-Talkshow“
Ralf Fücks oder Henning Scherf, wer kommt besser an bei Bremens Alten? Diese Frage hätten die gut 150 Besucher vor allem Damen, beantworten können, wenn, ja wenn der Bildungssenator nicht wegen anderweitiger Termine bei der 50. Senioren-Talkshow doch noch abgesagt hätte. Ein Tanz, ausgeführt von Kindern des Bewegungszentrum Impuls zur Annenpolka von J. Strauß, tröstete das Publikum nur schwach.
„Unsere Stadtväter haben Bremen sehr schön aufgebaut“, also sprach, zu Fücks gewendet, der Moderator Jens Schmidtmann, „und heute steht Bremen vor dem Kollaps...“ Und dann ergriff Fücks das Mikrophon und verlor, um es gleich zu sagen, nach allen Regeln der politischen Kunst: Die Hochstraße sei „ein städtebaulicher Schandfleck“, dröhnte es im Saal, aber daß sie wegkäme, sei wohl eher eine „Utopie“. Auch schwerhörige Besucher konnten alles gut verstehen, aber Scherf fehlte doch ein wenig. Diese umarmungsträchtige Nähe, die der frühere Sozialsenator um sich auszubreiten versteht, kam nicht auf im ansonsten schmucken Saale des Mariott-Hotels.
Fücks hatte auch glatt vergessen, die Leute zu begrüßen und sich zu freuen, daß er einmal mit ihnen sprechen kann. Fücks spricht über die „Wiederentdeckung der Weser“, sein Lieblingsthema, von „Nährstoffeintrag“ un die Badeseen und auch sonst über die Leute weg.
Fragen an den Senator? Natürlich. Aber niemand fragt hier nach der Weser oder den Badeseen. Sondern: „Wann wird das Steintorviertel wieder ein sauberes Viertel?“ - „Man schämt sich, wenn man da wohnt.“ Warum Junkies tagsüber aus ihren Unterkünften auf die Straße getrieben würden? Fücks versucht eine Gratwanderung. Er sei dafür, mehr Plätze für Betreuung zu schaffen und das Geld dafür zusammenzukratzen. („rausgeschmissenes Geld“ sagt hinten eine, der Senator am Mikrophon kann das nicht hören). Andererseits: Das sei der „Preis einer Großstadt“, daß es Kriminalität, Drogen, Prostitution gebe. Das Viertel sei aber auch das „lebendigste Viertel“ in Bremen, er sei dagegen, das mit Polizei kaputt zu machen: „Jede Gesellschaft lebt mit Drogen.“
„Es war früher eine sehr, sehr schöne Gegend. Die Dealer müssen da raus“, sagt eine Frau, Beifall.
Irgendwie springt kein Funke über. Der Senator versteht die Senioren im Saal offenbar nicht, er benutzt die Fragenden als Stichwortgeber. In der Verwaltungssprache gibt es auch keine Antwort auf die Fragen, die überlaute, gepreßte Stimme erweckt nicht eben Vertrauen.
Schön wird es erst wieder, als der Pianist Thomas Kriszan in die Tasten greift. K.W.
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