piwik no script img

Verkehrsplanung ist reine Männersache

■ Einer eindeutigen Gesetzgebung zum Trotz bekleiden Frauen immer noch keine wichtigen Posten/ Verkehrsforscher: An Nachwuchs mangelt es nicht

Berlin. Alle entscheidenden Posten in der Verkehrsverwaltung halten Männer besetzt. Ob nun Senator, Staatssekretär, Abteilungsleiter oder Referenten — in verantwortungsvoller Position ist nirgendwo eine Frau zu finden. Die 169 weiblichen Angestellten, die fast die Hälfte der insgesamt 357 Beschäftigten stellen, sitzen nach wie vor in den niederen Besoldungsgruppen — meist als Sekretärinnen. Und das, obwohl die Verwaltung an der Urania (wie alle Berliner Verwaltungen) Frauen bei gleicher Qualifikation gegenüber Männern bei Bewerbungen und Beförderungen so lange »vorrangig berücksichtigen« müßte, bis ihr Anteil in der betreffenden Laufbahn 50 Prozent beträgt. So schreibt es das Landesantidiskrimierungsgesetz aus dem Jahr 1990 vor. Doch in dem Betonbau vis- à-vis dem Wittenbergplatz hat sich seither nichts geändert.

Männer würden für angebotene Sekretär-Jobs kein Interesse zeigen, für die gehobeneren Laufbahnen wiederum »bewerben sich einfach keine Frauen«, begründet Sprecherin Uta-Micaela Dürig den mißlichen Umstand. Entsprechend dem Gleichberechtigungsgesetz schreibe die Verwaltung Stellen ein zweites Mal aus, dann werde mangels Frau der Mann eingestellt.

So könne die Verwaltung ihren Kopf nicht aus der Schlinge ziehen, kritisiert der Berliner Verkehrsforscher Hansjoachim Rieseberg. Denn in der Verkehrsplanung mangele es nicht an weiblichem Nachwuchs. Allerdings seien Frauen häufig anders qualifiziert. Sie hätten sich intensiver mit integrierter Verkehrsplanung als mit Straßenbau befaßt. Doch mit diesem Ausbildungsgang hätten sie in der Verwaltung kaum eine Chance. In der Einstellungspraxis der Behörde sieht Rieseberg auch einen Grund dafür, warum die Berliner Verkehrsplanung sich hauptsächlich an den Bedürfnissen von Autofahrern orientiere, während Kinder, Fußgänger, Radfahrer und Randgruppen wie Behinderte sprichwörtlich auf der Strecke blieben.

Auch Petra Rau, die fünf Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU den Fachbereich Verkehrswesen betreute, glaubt, daß sich die Verkehrspolitik ändern muß, wenn dort mehr Frauen leitende Posten übernehmen sollen. Die Reduzierung von Verkehrsplanung auf die Lösung rein technischer Probleme sei ein Grund, warum einige Frauen dort gar nicht erst anfangen wollten. Grundsätzlich sei es aber richtig, daß Frauen sich weniger für Fragen des Verkehrs interessierten. Im Fachbereich Verkehrswesen seien von 1.400 Studenten nur 60 weiblich.

Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) widerspricht dem Vorwurf einer rein männlich geprägten Politik seines Hauses — und setzt sich damit in Gegensatz zu neueren Erkenntnissen der Wissenschaft. Verwaltungen, die nicht repräsentativ besetzt sind, machen unrepräsentative Politik. Daß Beamte und Politiker die öffentliche Meinung häufig nicht richtig einschätzten, ist das Ergebnis einer Studie des Münchner Forschungsinstituts Socialdata. Danach würden drei Viertel der Bundesbürger den öffentlichen Nahverkehr selbst dann bevorteilen, wenn sich Nachteile für den Autoverkehr ergeben. Politiker und Verkehrsplaner glauben dagegen, daß knapp zwei Drittel der Bundesbürger gegen eine Benachteiligung des Autos seien.

Ein weiteres Untersuchungsergebnis legt die Vermutung nahe, daß mit Frauen in der Verwaltung die Verkehrspolitik anders aussehen würde. Denn nur Männer zwischen 20 und 60 benutzten überwiegend das Auto als Verkehrsmittel — im Gegensatz zu Jugendlichen, Frauen und Rentnern. Dirk Wildt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen