Paragraph 218

■ betr.: "Ein klares Nein!" (Von einem "Kompromiß" kann beim Entwurf zum Paragraphen 218 keine Rede sein) von Barbara Ritter, taz vom 12.6.92

betr.: „Ein klares Nein!“ (Von einem „Kompromiß“ kann beim Entwurf zum § 218 keine Rede sein) von Barbara Ritter,

taz vom 12.6.92

Da es sehr erfrischend ist, unter den vielen Positionen, die in der letzten Zeit in Sachen Paragraph 218 StGB ff zu lesen sind, endlich ein klares Nein zum sogenannten „Kompromißentwurf“ zu entdecken, finde ich es schade, daß Barbara Ritter teilweise nicht überzeugend argumentiert und falsche Schwerpunkte setzt.

Richtig ist, daß die Beratungspflicht dadurch verschärft wurde, daß sie nun „dem Lebensschutz dienen“ soll. Etwas irreführend ist es jedoch, wenn Barbara Ritter anschließend in Zitatform als weitere Beratungsziele aufführt, es solle vor den „physischen und psychischen Folgen eines Abbruchs“ gewarnt werden und die Adoption als „Alternative“ angeraten werden. Dies steht so nicht im Gesetz, auch wenn der damalige Justizminister Kinkel letzteres noch in den FDP-Entwurf hineinschreiben ließ. Die Zitate von Barbara Ritter stammen wohl aus süddeutschen Beratungsrichtlinien der Länder. Die Inhalte dieser Verwaltungsvorschriften sind durch die geplante Neufassung des Paragraphen 218 nicht obsolet geworden, weil die Beratungsstellen noch immer von den Ländern „anerkannt“ werden müssen, und deshalb ist die inhaltliche Kritik von Barbara Ritter an diesem Punkt auch völlig richtig. Nur muß es auch so erklärt werden, denn andernfalls schaut eine interessierte Frau ins neue Gesetz, findet die vermeintlichen Zitate nicht und wird unnötig verwirrt.

Barbara Ritter wirft der SPD-Unterhändlerin Inge Wettig-Danielmeier vor, sie verschweige die „erhebliche Hochsetzung der Bedingungen“ für die Einrichtung von ambulanten Abbruchmöglichkeiten, indem diese künftig „nur (noch) von FachärztInnen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ durchgeführt werden dürften. Inge Wettig-Danielmeier „verschweigt“ dies zu Recht, denn die angegriffene Bestimmung stammt aus einem Änderungsantrag der UFV/Bündnis90-Abgeordneten Christina Schenk, der jedoch nicht berücksichtigt wurde. Der Gruppenantrag sieht auch nach der Verwässerung durch den CDU- Süssmuth-Flügel nur die „Gewährleistung einer notwendigen medizinischen Nachbehandlung“ vor. Derartige medizinische Mindestanforderungen an ambulante Abbruchmöglichkeiten kann man aber nun nicht von vorneherein nur als Mittel der Erschwernis und Behinderung von Schwangerschaftsabbrüchen abtun. Die Tatsache, daß es der Unabhängige Frauenverband war, der eine noch weitgehendere Forderung stellte, spricht eher für das Gegenteil. [...] Bezüglich der Möglichkeiten zu ambulanten Schwangerschaftsabbrüchen sieht Barbara Ritter wohl überhaupt etwas zu schwarz. Heute können Schwangerschaftsabbrüche gemäß Art. 3 des 5. Strafrechtsreformgesetzes nur in „einem Krankenhaus oder einer zugelassenen Einrichtung“ durchgeführt werden. Durch das Zulassungserfordernis für ambulante Einrichtungen haben die Länder heute die Kontrolle darüber, ob solche Einrichtungen entstehen können oder nicht. In den Südländern haben die Regierungen dies erfolgreich verhindert. Dieses Zulassungserfordernis soll nach dem Gruppenantrag wegfallen. Vielmehr sollen die Länder sogar verpflichtet werden, ein „ausreichendes und flächendeckendes Angebot“ an ambulanten Einrichtungen „sicherzustellen“. Damit sind die Schranken für die Einrichtung von ambulanten Einrichtungen zumindest in den Südländern deutlich verringert worden. Wo ÄrztInnen von der neuen Freiheit Gebrauch machen, müssen Frauen, die einen ambulanten Abbruch haben wollen, eben nicht mehr nach Holland oder Hessen fahren.

Nicht näher begründet wird leider die Befürchtung, bei der Krankenkassenfinanzierung von Abbrüchen entstehe eine neue „offene Flanke“ für militante AbtreibungsgegnerInnen. Tatsächlich bleibt der Anspruch auf die Krankenkassenfinanzierung bestehen, wird sogar ordentlich ins 5. Buch des Sozialgesetzbuchs integriert, wo er auch hingehört. Was aber wirklich einen deutlichen Gewinn an Rechtssicherheit darstellt, ist die eindeutige Ausgestaltung der „Fristenregelung mit Beratungspflicht“ als Rechtfertigungsgrund. Damit wird ein endloser Streit in der juristischen Literatur beendet. Den unter männlichen Juristen zahllosen Abtreibungsgegnern ist damit der Boden für die Behauptung entzogen, die Abtreibung sei immer rechtswidrig und könne höchstens im Einzelfall „entschuldigt“ sein. Dies hätte nicht nur Notwehr zugunsten des Embryos möglich gemacht, sondern auch die Finanzierung des Eingriffs durch die Krankenkassen verhindert.

Das „klare Nein“ Barbara Ritters zum neuen Gesetz teile ich jedoch, trotz der dargestellten abweichenden Auffassungen. Jede Zwangsberatung und jede Setzung von Fristen kann zur Kriminalisierung von Frauen führen, die sich nicht zum Austragen einer Schwangerschaft gegen ihren Willen verpflichten lassen wollen. Die Verschärfung der Beratungspflicht durch die Verpflichtung zum Lebensschutz zeigt deutlich, wie der Staat versucht, Frauen unter patriarchale Vormundschaft zu stellen. Die Passage, daß die Beratung „in einer Notlage“ erfolge, öffnet vielerlei juristischen Spekulationen Raum und führt daher zu Verunsicherung und Einschüchterung. Eine ersatzlose Streichung des Paragraphen 218 bleibt Grundbaustein einer feministischen Antidiskriminierungspolitik. Stefanie Zieglwalner, Arbeitskreis kritischer JuristInnen

Freiburg