Probieren Sie doch mal den Jäger light

Der militärisch-industrielle Komplex will den Jäger 90 als abgemagerte Version retten/ CSU verhindert Abstimmung über das Mammutprojekt in der Fraktion/ Stückpreis 160 Millionen  ■ Von Jürgen Gottschlich

Berlin (taz) — Auf Druck der CSU und der Sympathisanten der Rüstungsindustrie in der CDU ist gestern eine Entscheidung über das teuerste Rüstungsprojekt der deutschen Geschichte erneut verschoben worden. Konkret sollte gestern entschieden werden, ob im Haushaltsplan 1993 100 Millionen DM für die Weiterentwicklung des Prototyps des Jäger 90 bereitgestellt werden oder nicht. Eine Negativentscheidung wäre einem Aus für den Jäger 90 in Deutschland gleichgekommen.

Plötzlich war es dann aber nicht mehr so eilig. Als die Rüstungslobby feststellte, daß eine Abstimmung zum jetzigen Zeitpunkt wohl gegen sie fallen würde, setzte sie vor der Fraktionssitzung der CDU/CSU eine Verschiebung um eine Woche durch. CDU/CSU und FDP müssen nun am kommenden Dienstag auf einer Sondersitzung über den Flieger entscheiden. Gleichzeitig wurde eine neue Version ins Spiel gebracht: der Jäger light.

Diese Idee wird als das Ei des Kolumbus verkauft. Man könne doch, so beispielsweise der CDU-Rüstungslobbyist Paul Breuer gegenüber der 'Süddeutschen Zeitung‘, bereits entwickelte Komponenten des Jäger 90 mit anderen auf dem Rüstungsmarkt zu beschaffenden Bauteilen kombinieren und so eine Zwischenlösung entwickeln, die wesentlich billiger sei, eine spätere Produktion des Jäger 90 aber nicht endgültig ausschließen würde. Dieser Vorschlag hat angeblich alle Argumente auf seiner Seite: die Bundeswehr bekäme gegen Ende des Jahrtausends einen neuen Jagdflieger, die industrielle Kapazität der deutschen Rüstungsindustrie bliebe erhalten.Und nicht zuletzt wäre die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern gerettet.

Besonders der letzte Punkt scheint Kanzler Kohl am Herzen zu liegen. Kohl möchte es sich offenbar mit den Briten nicht völlig verscherzen, die die deutsche Sicherheitspolitik innerhalb der EG ohnehin schon ablehnend beobachten. Zwar wären Italiener und Spanier nach inoffiziellen Angaben ganz froh, wenn sie ihre Beteiligung am Jäger 90 im Windschatten einer deutschen Entscheidung ebenfalls abstoßen könnten, doch Londons John Major ist wild entschlossen, den teuren Vogel bauen zu lassen. Zur Not auch ohne die Germanen, doch dann wäre Bonns Glaubwürdigkeit bei multinationalen Rüstungsprojekten angeblich nachhaltig beschädigt.

Nach Angaben der 'Rheinischen Post‘ soll Kohl sich deshalb für den Kompromiß Jäger light erwärmt haben und gleichzeitig versuchen, in das neue Projekt eines Jagdflugzeuges für das Jahr 2000 die Franzosen einzubinden. Frankreich war vor Jahren aus dem Jäger-90-Konsortium ausgestiegen und hatte sich für einen nationalen Alleingang zur Entwicklung des Jagdflugzeuges „Rafale“ entschieden.

Zusätzliche Argumente gegen den Jäger 90 in seiner bislang geplanten Form hat der Bundesrechnungshof jetzt in einem aktualisierten Gutachten vorgebracht. Danach soll der Systempreis für den Flieger mindestens 160 Millionen Mark betragen gegenüber den 133 Millionen, die die Luftwaffe zuletzt veranschlagt hatte. Für völlig unglaubwürdig halten die Prüfer die Angaben der Industrie, die zuletzt behauptet hatte, der Preis könne auch unter die 100-Millionen- Mark Grenze gedrückt werden.

Nach Angaben der 'SZ‘ gehen die Fachleute vielmehr davon aus, daß in der späteren „Nutzungsphase“ sogar über die 160 Millionen Mark hinaus erhebliche Mehrkosten auf die Bundeswehr zukämen. Verteidigungsminister Volker Rühe hat deshalb auch den Bau des Jäger 90 als zu teuer abgelehnt. 100 Millionen sei die Obergrenze, hieß es im Verteidigungsministerium gestern noch einmal. Ob ein allen diplomatischen Einwänden gerecht werdender Jäger light letztlich billiger würde, weiß auch Rühe noch nicht zu sagen. Warum die Bundeswehr überhaupt ein neues Jagdflugzeug braucht, allerdings auch nicht.