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Paare ohne Trauschein benachteiligt

■ Wohngemeischaften werden der Ehe nur dann gleichgestellt, wenn dies die Kassen entlastet

Berlin (taz) — Das Grundgesetz ist 43 Jahre alt und in mancher Hinsicht nicht mehr auf der Höhe der Zeit. „Ehe und Familie“ stehen laut Artikel 6 „unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“. Eheähnliche Gemeinschaften (heterosexuelle Paare) und nichteheliche Lebensgemeinschaften (homosexuelle Paare) befinden sich dagegen im Dauerstreit mit der staatlichen Ordnung — obwohl sie gegenüber der Ehe inzwischen bevorzugte Lebensform sind.

Spezielle gesetzliche Regelungen, wie „wilde Ehen“ im Steuer- und Vermögensrecht, bei Unterhaltszahlungen, beim Wohngeld, der Kinderbetreuung und dergleichen zu behandeln seien, gibt es bisher nicht. Wohl aber eine herrschende Rechtssprechung. Und diese zeigt eine deutliche Tendenz: Eheähnliches Zusammenleben wird der Ehe immer dann gleichgestellt, wenn dies die staatlichen Kassen entlastet. Vorteile, die Verheiratete genießen, werden dagegen nicht gewährt.

Wesentlich für eine eheähnliche Gemeinschaft ist, daß die PartnerInnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wirtschaften und miteinander ins Bett gehen.

Bekannt ist, daß hierzulande die sogenannte Hausfrauenehe steuerlich begünstigt wird. Die Einkommen der EheparterInnen werden addiert, dann wieder geteilt und versteuert. Damit sinken die geteilten Einkommen, bzw. sinkt das geteilte Einkommen des Alleinverdieners in eine günstigere Steuerklasse.

Nichtverheiratete bezahlen also mehr Steuern. Nur ausnahmsweise können sie Unterhaltsleistungen innerhalb ihrer Partnerschaft als außergewöhnliche Belastung steuermindernd geltend machen: dann, wenn einer der beiden seinen Beruf aufgibt, um ein gemeinsames Kind zu versorgen oder vom Einkommen des anderen mitlebt, weil er diesen pflegen muß. Auch Kosten für doppelte Haushaltsführung bei einer Versetzung können Nichtverheiratete nicht steuerlich geltend machen.

Was bei den Steuern nicht geht, geht aber bei Arbeits- und Sozialhilfe. Hier werden nichteheliche Gemeinschaften Ehepaaren faktisch gleichgestellt. Denn bei der Bedürftigkeitsprüfung wird das Einkommen beider PartnerInnen zur Berechnungsgrundlage gemacht. In diesem Punkt haben gleichgeschlechtliche Paare einen Vorteil. In die Berechnung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe wird nur einbezogen, was der Reichere dem Ärmeren innerhalb der Beziehung an Unterhalt zukommen läßt. Beim Wohngeld werden Schwule, Lesben, WGs und Ehen in einen Topf geschmissen. Eine „Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ reicht aus, um die Einkommen der jeweiligen PartnerInnen auf die Höhe des Wohngelds anzurechnen. Wem das nicht paßt, der muß beweisen, daß keine Wirtschaftsgemeinschaft besteht — was in der Regel behördliche Hausbesuche zur Folge hat.

Besonders benachteiligt sind eheähnliche Gemeinschaften im Erbrecht. Nach dem Tod eines Ehepartners erbt der/die andere — und zwar bis zu 500.000 Mark steuerfrei. Wer nichtehelich erbt, hat nur 3.000 Mark frei und muß dann 38 Prozent Steuern zahlen. Falls er oder sie überhaupt erbt, denn dies muß der verstorbene Partner ausdrücklich im Testament festlegen.

Wenn Unverheiratete Kinder bekommen, verteilen sich Rechte und Pflichten völlig ungleich auf Frau und Mann. In der Regel wirken sich die Kinder nur auf der Steuerkarte der Mutter günstig aus. Nach einer Trennung — es ist bisher so gut wie ausgeschlossen, daß der Vater die Kinder zu sich nehmen kann — muß der Mann Unterhalt für die Kinder zahlen, nicht aber für die Frau, auch dann nicht, wenn sie nicht arbeiten gehen kann. Dies bringt ihm aber weder steuerliche Vorteile, noch hat er ein Besuchsrecht bei den Kindern.

Zuletzt hat der Juristentag 1988 gefordert, für eheähnliche und nichteheliche Lebensgemeinschaften gesetzliche Regelungen zu schaffen, die die neuen Lebensformen der Ehe im Vermögens-, Steuer- und Unterhaltsrecht gleichstellen. Diese Reformdiskussion ist aber — während sich die Rechtssprechung zu eheähnlichen Gemeinschaften kaum merklich bessert — durch die juristischen Probleme der Vereinigung an den Rand gedrängt und praktisch abgewürgt worden.

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