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Chemiefabrik entzweit Rot-grün

■ Oldenburger Stadtdirektor versprach im Alleingang ein neues Industriegebiet

Eine Gewerbeansiedlungspolitik aus dem Dunstkreis der Gefälligkeitsplanung erweist sich jetzt als Zerreißprobe für die rot-grüne Mehrheitskoalition im Oldenburger Rathaus. Der Auslöser: Die Verwaltungsspitze hat einem alteingesessenen Chemieunternehmen eine 22 Hektar große Grünfläche am östlichen Oldenburger Stadtrand als Industriefläche angeboten, die erst vor knapp drei Monaten nach hartem Ringen aller Fraktionen für ein Abfall-Entsorgungs-Zentrum gesichert worden war. Dieses Angebot, so bestätigte Oldenburgs Oberstadtdirektor Heiko Wandscher, habe er nach Rücksprache mit den Fraktionen in dem Bestreben unterbreitet, die Chemiefabrik „Büsing und Fasch“ in Oldenburg zu halten. Ein neuer Standort für das benötigte Abfallentsorgungszentrum stehe freilich noch nicht fest.

Daß sich der Oberstadtdirektor nicht nur im Einklang mit CDU und FDP wußte, sondern sich auch der mehrheitlichen Zustimmung der SPD versicherte, brachte den kleinen Koalitionspartner, die Grünen, auf die Palme: „Mit dieser Zustimmung über unsere Köpfe hinweg sehen wir die Koaltitionsvereinbarung mit der SPD verletzt“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Oldenburger Rat, Gernot Koch. „Unsere Vereinbarung hatte ja gerade das Ziel, zu einer vernünftigen, langfristigen Flächenplanung zu kommen. Es kann nicht angehen, daß unsere Ratsbeschlüsse unter der Androhung eines Unternehmens, aus Oldenburg abzuwandern, einfach über den Haufen geworfen werden.“

Die SPD-Fraktion im Oldenburger Rat kreidet ihrem Koalitionspartner an, sich „keinen Schritt zu bewegen“, sagte Fraktionsvorsitzender Peter Jacobs. Wenn die Grünen mit der Ausweisung des neuen Industriegebietes die Koalitionsfrage verbänden, dann, so Jacobs, „wird es hart, dann muß sich die SPD eventuell nach einem neuen Partner umsehen.“

Den gleichen Gefallen wie die Oldenburger wollte dem Chemie- Betrieb auch schon die Gemeinde Rastede tun. Der Gemeinderat kippte in nichtöffentlicher Ratssitzung kurzerhand den Flächennutzungsplan und wies eine landwirtschaftlich genutzte Fläche für Industrieansiedlung aus. Gegen das Geheim-Verfahren haben die Rasteder Grünen vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg Klage erhoben.

Für die beiden grünen Ratsfraktionen macht der Vorgang deutlich, „daß die überalterte Form der Gewerbeansiedlungspolitik ein Ende haben muß“. Es dürfe nicht der Konkurrenz der Kommunen und den „daraus resultierenden verantwortungslosen Lockangeboten überlassen bleiben, wo welches Gewerbe angesiedelt werden soll“, so der Fraktionsvorsitzende der Rasteder Grünen, Rainer Heimsch.

Das ohnehin sehr umstrittene, da wertvolle Feuchtgebiet im Oldenburger Stadtteil Neuenwege war bereits vor zwei Jahren als Industriegebiet im Gespräch. eine Ausweisung scheiterte jedoch an massiven Protesten von Politikern, Bürgern und Umweltverbänden. Nach den damaligen Protesten, so sagte der Beiratsvorsitzende der Oldenburger Lack- und Farbenfabrik, Düsing und Fasch, BüFa, Herbert Wuppermann, „hatten wir nicht mehr an eine politische Realisierung geglaubt und Neuenwege angehakt.“

Abgehakt hatte das Unternehem aber dann plötzlich auch den zwei Jahre lang verfolgten Ansiedlungsstandort Quelbeke im Oldenburger Süden. Er wurde wegen angeblicher Unvereinbarkeit als faktisches Wasserschutzgebiet mit späteren Firmenplänen eines Kunststoff-Recyclings verworfen kurz nachdem der Beschluß für das Abfall-Entsorgungs-Zentrum gefaßt war. Die BüFa-Abteilung Industrie produziert derzeit an zwei Standorten in Oldenburg und Rastede Polyurethan und Mischungen für die Polyesther-Fertigung. Der Standort der Lack- und Farbenfabrik in Oldenburg bleibt von den Umsiedlungsplänen unberührt. Falls weder Oldenburg noch Rastede klappt, hat der Chemiebetrieb noch die Gemeinde Garren in der Hinterhand. bg

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