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Statt einer jungen Frau ein junger Sender

n-TV soll nicht nur News rund um die Uhr bringen — es dient auch der Milderung von Lebensmitte-Krisen  ■ Von Ilona Marenbach

Der Erfolg des Nachrichtensenders CNN regt so manche Phantasie an. Neuestes Projekt ist n-TV in Berlin: „Fernsehnachrichten, wann immer der Zuschauer sie will“. Chefredakteur ist Peter Staisch — einst NDR- Chefredakteur, Washington-Korrespondent der ARD und zuletzt Vizechef des Landesfunkhauses Hannover. Mit den aktuellen Querelen im Funkhaus und dem Dauerstreß des „schwarzen Peters“ mit seiner Chefin Lea Rosh habe sein Wechsel nichts zu tun, versichert Staisch überdeutlich. Vielmehr sei er mit 49 Jahren (midlife-crisis) in einem Lebensalter, „in dem sich die meisten Männer junge Frauen suchen, ich suche mir eben einen jungen Sender“.

18 Stunden täglich (von 6 bis 24 Uhr) will Staisch zukünftig ein Newsprogramm anbieten, „ohne daß Parteilichkeit und Ideologie auch nur in leisester Form Nachrichtenauswahlkriterien sein werden“. Das Konzept sei denkbar einfach, es werde „stets und immer nur von der Nachrichtenlage diktiert“. Jede Stunde würden in einem bestimmten Rhythmus Hauptnachrichten und Schlagzeilen wiederholt, flankiert von aktuellen Wirtschafts- und Börsennachrichten. Auf Infotainment, Talk- und Gameshows werde gänzlich verzichtet. Auf 230 Personen soll der Mitarbeiterstab einmal anwachsen, verteilt auf die Berliner Zentrale und fünf nationale SNG- Standorte (Satellite News Gathering).

n-TV-Geschäftsführer ist der ehemalige Sat.1-Chefredakteur Karl- Ulrich Kuhlo, den (neben der midlife-crisis) die Aussicht auf das schnelle Geld antreibt. Nach Investitionen in Höhe von 60 Millionen Mark in „das modernste Nachrichtenstudio Deutschlands“ (200 qm) sowie jährlichen Betriebskosten um die 100 Millionen Mark will man binnen eines Jahres schwarze Zahlen schreiben. Denn: „Die Zeit ist reif für n-TV, das meint zumindest Reinald Walter, einst beim Kirch-Konzern als Supervisor für den Teleclub zuständig und nun zweiter Geschäftsführer des Newskanals. Im Unterschied zur Kölner Westschiene (Vox), verstehe sich n-TV als „kostengünstiges Spartenprogramm“. Gesellschafter sind neben Kuhlo (5 Prozent) der weltgrößte, aber auch wirtschaftlich angeschlagene US- Medienkonzern Time Warner mit 28 Prozent (der gleichzeitig 14,5 Prozent an Vox hält). Zum Gesellschafterkreis zählen darüber hinaus der East German Investment Trust, ein Fonds von hauptsächlich britischen Anlegern mit 20 Prozent, La Savoisienne, eine Gesellschaft der Rothschild-Gruppe mit 10, die Familie Nixdorf mit 15 Prozent und Kai Hiemstra, Geschäftsführer einer Wiesbadener Werbeagentur. 17 Prozent sind noch zu haben (Stammkapital „um die 60 Millionen“). Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist übrigens der einstige Springer- Vorstandschef Peter Tamm, der bei n-TV zurückhaltend vornehm als „Verleger“ bezeichnet wird.

Bevor sich die Herren dem neuen Projekt widmeten, haben sie eine Umfrage bei Emnid in Auftrag gegeben, mit dem Ergebnis, daß 55 Prozent der Befragten da mehr oder weniger häufiger mal reinschauen würden. Insgesamt rechnen Kuhlo und Co. mit einer Einschaltquote zwischen 0,3 und 0,8 Prozent. Zielgruppe sind die vielverdienenden und konsumfreudigen Meinungsträger (in der midlife-crisis). Sein Domizil wird der Sender in der Ostberliner Taubenstraße aufschlagen, inmitten des zukünftigen Regierungsviertels. „Minister können zu Fuß zum Interview kommen“, freut sich Kuhlo.

Einen Haken hat die Sache allerdings noch. Geschäftsführer Walter geht zwar davon aus, daß n-TV im kommenden Jahr in 60 Prozent der Kabelhaushalte eingepeist sein wird. Genehmigt wurde der Newskanal jedoch noch nicht. In den Regalen der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) liegt zwar ein Lizenzantrag, doch muß ein Entscheidungsgremium, Medienrat, erst noch gewählt werden. Anträge bei allen anderen Landesmedienanstalten sind laut Kuhlo ebenfalls gestellt. Da manche Kabelnetze bereits jetzt überfüllt sind, kann eine Einspeisung von n-TV aber wohl nur erfolgen, wenn andere rausfliegen.

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