: Man kann sie nicht mehr bringen!
Euro 92: Ginge es nach dem Leistungsprinzip, müßten fast alle TV-Sportjournalisten ihren Job aufgeben ■ Von Peter Unfried
Selten genug kommt es vor, und so wollen wir es nicht versäumen, den Europäischen Fußballverband (UEFA) bereits einen Tag vor dem Ende der schwedischen Euro 92 ausdrücklich zu loben für sein beispielhaftes Vorgehen im Falle des sogenannten Sportjournalisten Jörg Wontorra (Radio Bremen), dem umsichtigerweise bereits nach dem ersten Spieltag die Akkreditierung entzogen worden war. Damit ist uns nicht nur die dauergrinsende Visage des Bremer Möchtegern-Playboys weitgehend erspart geblieben, sondern auch dessen nervig-fröhliches Boulevardgewäsch. Nur, liebe UEFA, warum habt ihr beim Plapperjörgel haltgemacht? Wie? Weil er auf dem Rasen, dem grünen, herumgetrampelt ist, und die anderen nicht? Die sind dafür auf unseren Nerven herumgetrampelt, auch verbotenerweise. Peinlich war's, sagen wir, blauäugig an Freudenreich denkend, uns unter Sportjournalismus, Einschaltquoten hin, Unterhaltungswert her, etwas anderes vorstellend. Und zumindest mal Kompetenz erwartend.
Aber, oh weh, da hapert's allenthalben und bei Dieter Kürten ganz zuvorderst. Klar ist der liebe Kürti- Onkel ein sympathischer Zeitgenosse, als Fernsehstar in einer Sportstudio-Show auch so was wie unterhaltsam, nur ein Reporter ist er nicht. Denn von dem, was sich auf dem Rasen abspielte, kriegte Kürten so gut wie nichts mit. Zumindest nicht das Wesentliche. Zudem wurden ihm meist auch noch erst nach einer guten Viertelstunde richtige Informationen zugeschoben, etwa wer gegen wen spielte. Dafür hieß es: „Meine Güte, das ist ein dicker Hund!“ oder „Ahahahalso, die Dänen haben vielleicht einen Dampf drauf!“ Weil Dieter nun so gar keine Ahnung hat, hatte man für geschätzte 100.000 Mark den Stuttgarter Trainer Christoph Daum verpflichtet. Der, so stellte sich heraus, verstand wirklich was von diesem rätselhaften Ballspiel. Schwierig wurde es nur, wenn Daums Wissen mit der Meinungsmache seines anderen Arbeitgebers (geschätzte 40 Riesen), der 'Bild‘-Zeitung, kollidierte. So mußte der Mietstrainer vor dem Schottland- Spiel lauthals herumplärren, es sei „ein großer Fehler“, den blonden Klinsmann mitmachen zu lassen, denn sein Bla-Blatt hatte seit Tagen vor selbigem gewarnt. Und sich hinterher dann kleinlaut beim Hans-Hubert entschuldigen.
Kürten-Niveau erreichte mühelos Heribert Faßbender (WDR). Mit einem Stillhalte-Abkommen hatte der immerhin erwirkt, daß Kollege Rummenigge seine gröbsten Fehler nicht sofort vor der ganzen Nation korrigierte, doch die Schweden Brolin und Dahlin auseinanderzuhalten, war auch wirklich viel verlangt. Schließlich sind die doch alle blond und blauäugig und sehen irgendwie gleich aus. Äh, bis auf Dahlin allerdings, der kaffeebraune Haut und gekräuseltes, schwarzes Haar hat.
Es gab aber auch, wir wollen, weil sich das auf die Auflage auswirken könnte, nicht zu negativ klingen, durchaus Positives. Etwa die hervorragenden Recherchen des sich immer auf Ballhöhe befindlichen Rolf (nick, nick) Töpperwien. „Andi Brehme, Sie als Kapitän haben heute mit Ihrem Vorgänger Rudi Völler telefoniert. Wir haben's beobachtet.“ Gut gemacht, doch dann eine leichte Enttäuschung: „Was haben Sie ihm gesagt?“ Wie? Nicht das Telefon angezapft, Töppi? Sehr unprofessionell. Was, wenn Brehme vor versammelter Nation lügt? Rudi etwas völlig anderes gesagt hat, als er nun behauptet? Nachsitzen!
Selbiges wird bei Oskar Wark II. (ZDF) nichts mehr helfen. Ganz Vaters Sohn krähte er beim Spiel Dänemark-Frankreich, auf die Leukämie-Erkrankung der Tochter eines dänischen Spielers anspielend: „Von Vilforts Mißgeschick habe ich Ihnen erzählt.“ Mißgeschick? Ist das nicht etwas anderes? Etwa als Oskar I. den Oskar II. fabrizierte? Ha, das war ein Mißgeschick, und was für eines!
Aber mal im Ernst. Zwei der Jungs dürfen sich tatsächlich und unausgelacht Sportjournalisten nennen. Marcel Reif (ZDF) hat das Spiel verstanden und weiß fundiert darüber Auskunft zu geben, deshalb mögen ihn die meisten Zuschauer nicht. Und Marcel ist, auch das gefällt uns, ein echter Dialektiker. „Die meisten Schwedinnen“, so fiel ihm, fachlich völlig richtig, auf, „sind groß und blond.“ Und dann elegant die Kurve zu kriegen. „Manche sind aber auch klein und dunkelhaarig.“ Dies war nun mehr als in Dutzenden sogenannter Hintergrundberichte herausgearbeitet worden war. Ausnahme Nummer zwei ist Jochen Bouhs (ZDF), der sachlich arbeitet und sein Thema, nicht aber sich selbst permanent in den Vordergrund rückt. Kein Wunder, daß er nur in der dritten Reihe steht. So kann man es natürlich zu nichts bringen.
Deshalb gebührt das letzte Wort auch nicht ihm, sondern einem, der gern und laut und immer von sich redet. „Es tut mit leid, es so hart sagen zu müssen“, hat Fritz von Thurn und Taxis, verarmte Schande eines adeligen Geschlechts, einmal über den Fußballer Norbert Nachtweih geurteilt, „aber man kann ihn eigentlich fast nicht mehr bringen.“ Selbiges gilt, es tut uns leid, und nach diesem Turnier mehr denn je, auch für die meisten seiner reportierenden Kollegen und für den blauen Fritz sowieso.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen