piwik no script img

Nummer 9 geht

■ Handballerin Rita Köster, letzte bekennende Amateurin im Nationalteam: Endstation Olympia

Im „Lamberti-Eck“, der rustikalen Vereinskneipe des VfL Oldenburg, gibt es eine Wand, die ist behängt mit allerlei Devotionalien aus berühmteren Tagen. Wimpel und Ehrentafeln, ein gerahmtes Foto von einem Frauen-Handballteam. „Abgekämpft, aber aufgestiegen“ steht in Schönschrift daneben, und das Datum: „Am 5.3. 1980“.

An jenem Tag war der VfL Oldenburg durch ein 21:14 über die Lübecker Turnerschaft in die Eliteklasse emporgeklettert. Zwei Tore hatte jene Frau beigesteuert, die ihrem Verein danach den Deutschen Pokal bescherte, die Vizemeisterschaft, die Teilnahme am Europacup-Finale: Rita Köster, Torjägerin vom Dienst. Ihre Rückennummer 9 schreckte gegnerische Keeperinnen und motiviert den Nachwuchs: „In unserer Jugend wollten schon immer alle die 9 tragen, weil ich sie trage“, sagt Rita Köster.

Die Zeiten haben sich geändert. Statt um Titel und Pokale spielt der VfL ums blanke sportliche Überleben. Während die meisten anderen Vereine ihre Werferinnen mehr oder weniger üppig entlohnen, hält der VfL trutzig an der reinen Lehre des Amateurstatus fest. Das ist ehrenvoll, konkurrenzfähig macht es nicht. Die Stars der Szene zieht es dahin, wo das große Geld zu holen ist; nach Leverkusen, Lützellinden, Walle.

Nur Rita Köster bleibt resistent. Sie hat alle Angebote der Konkurrenz verschmäht und ist den Grün-Weißen von der Hunte treu geblieben. Seit 1973, Geld gab es nie: „Wir kriegen alle nichts, da kommt kein Neid auf, und das Zusammengehörigkeitsgefühl ist größer als anderswo.“ Genauso wie die Bindung an den Verein: „Wir machen uns bestimmt mehr Gedanken nach Mißerfolgen als andere Spielerinnen, die nur darauf achten, wo sie am meisten verdienen können.“ Ganz schön idealistisch, diese Einstellung. „Mein Idealismus ist mir schließlich ganz gut bekommen — nicht nur im Sport“, kontert Köster. Ihr Abitur hat sie kurz nach dem Bundesliga-Aufstieg gemacht, beruflich bildet sie bei einer Oldenburger Bank den Nachwuchs aus.

Rita Köster — eine Sauberfrau also, ohne Bruch in der Biographie, everbody's darling? Weiß Gott nicht; Trainer Schumann charakterisiert sie als „kritisch, oft unbequem“, dem Deutschen Handball- Bund galt sie lange als Rebellin: Wie einige Kolleginnen war auch Rita 1983 aus der Nationalfrauschaft zurückgetreten. Doch während die anderen berufliche Gründe dafür vorgaben, redete Rita Klartext: Bundestrainer Ekke Hoffmann sei schuld, sein unsensibles Verhalten den Spielerinnen gegenüber schlechterdings nicht zu ertragen.

Damit war das Thema Nationalteam erledigt, sieben Jahre lang, bis der neue Bundestrainer Uli Weiler Rita zur Rückkehr bewegte. Seitdem ist sie wieder dabei, hat es auf 90 Länderspiele gebracht und hofft, „daß mir das hundertste auch noch vergönnt ist.“ Die Chancen stehen gut, nachdem Weilers Nachfolger Heinz Strauch sie für die Olympischen Spiele in Barcelona nominiert hat.

Eine Medaille soll schon noch dabei herausspringen, bevor die letzte Amateurin im deutschen Team ihre Karriere beendet. „Endgültig“ will sie dem Handball abschwören nach Barcelona, sagt Rita Köster. Dabei ist sie mit 31 Jahren in Topform, hat ihrem Verein noch mal den Klassenerhalt gerettet und ist nebenbei mit 138 Toren beste Werferin der Bundesliga Nord.

Im „Lamberti-Eck“ sitzen die Sportfreunde derweil unter den vergilbenden Wimpeln und trinken ihr Bier. Auf die glorreiche Vergangenheit, auf die ungewisse Zukunft. Die Saison eins nach Rita Köster wird nicht leicht werden für den VfL Oldenburg. Sie werden sie vermissen, die Frau mit der 9. Holger Gertz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen