: Ökonomie contra Ökologie
■ betr.: "Die kapitalistische Lösung", Interview mit Jose Lutzenberger, taz vom 15.6.92
betr.: „Die kapitalistische Lösung“, Interview mit Jose Lutzenberger, taz vom 15.6.92
Eine Frage an Lutzenberger ist, wie einem Geschäftsmann die Pflanzung eines Baumes „schmackhaft“ zu machen ist, der erst in 50 Jahren fällbar ist und dann einen Wert von 5.000 Dollar erreicht haben wird. Seine Antwort lautet, der Geschäftsmann (Forstwirt) solle den Gegenwert für die Kosten der Pflanzung und die Arbeit für die 50jährige Hege und Pflege schon bei der Pflanzung selbst und nicht erst bei der Fällung erhalten. [...] Das ist durchaus genial. Er hat lediglich jemanden zu finden, der sich 50 Jahre lang ohne Bezahlung um die Waldschonung kümmert, dann den Baum umsonst fällt und kostenlos vermarktet, sowie außerdem eine Bank, die bereit ist, auf dieser Basis 5.000 Dollar vorzufinanzieren.
Dieses Beispiel spricht nicht für die Experten der Weltbank und FAO, die angeblich von seinem Vorschlag sehr angetan gewesen sein sollen, sondern gegen Lutzenberger. Jedenfalls läßt sich durch solche Pseudo-Tricks die kapitalistische Tretmühlenlogik weder außer Kraft setzen noch übertölpeln. Für ein einzelnes Unternehmen ist das eigene Überleben wichtiger als die globale Weltsicht, die Gegenwart wichtiger als die Zukunft, Ökonomie wichtiger als Ökologie. Unter Marktbedingungen können ökologische Belange nur berücksichtigt werden, wenn sie in irgendeiner Form als Preise in der Kostenrechnung und so weiter auftauchen. [...]
Das von Lutzenberger beschworene Umdenken greift nur, wenn ökologische Maßnahmen kostenneutral oder kaum teurer als herkömmliche Verfahren sind. Da aber Ökologie im allgemeinen betriebswirtschaftlich gesehen nur kostet, so verlangt Lutzenberger, daß sich Unternehmen entgegen ihren unmittelbaren Interessen verhalten sollen. Zwar kann ein Unternehmer sein Privateinkommen statt in ein zusätzliches Ferienhaus zur ökologischen Aufmotzung seines Hauses oder zur Aufforstung von langlebigen Bäumen verwenden, aber nur solange er überhaupt ein Einkommen hat und sich sein Unternehmen noch nicht aus dem Markt verabschieden mußte, zum Beispiel weil er das mit der Ökologie zu genau nahm. Ökologie rechnet sich einzelwirtschaftlich meist nicht, das heißt die betriebswirtschaftlichen Interessen müssen überwunden werden, sonst gibt es keine Lösung. Amelie Müller, Bielefeld
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