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Paragraph 218

■ Betr.: "Ein klares Nein!" von Barbara Ritter, taz vom 12.6.92, Leserinnenbrief dazu, taz vom 23.6.92

betr.: „Ein klares Nein!“ von Barbara Ritter, taz vom 12.6.92, Leserinnenbrief dazu von Stefanie Zieglwalner, taz vom 23.6.92

Leider ist der sogenannte Kompromißentwurf des Strafgesetzes 218 schlechter als Frau Zieglwalner glaubt! Der „deutliche Gewinn an Rechtssicherheit“, den sie sieht, ist eine Fehlanzeige. Zunächst handelt es sich nicht nur um eine Behauptung frauenfeindlicher Kollegen: tatsächlich ist beim gegenwärtig geltenden Recht der Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verboten und nur in Ausnahmen erlaubt, in denen eine der vier Indikationen vorliegt, also in der Tat nur im Einzelfall. [...]

Die grundsätzliche Strafbarkeit von Abbrüchen bleibt auch im sogenannten Kompromißentwurf erhalten. Eine Frau, die ohne die Zwangs„beratung“ eine Abtreibung vornehmen läßt, wird selbstverständlich nach dem Entwurf bestraft. Es heißt im Entwurf (Drucks 12/2605: § 218 (1): „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Das Gesetz soll ja auch im Strafgesetzbuch, im Strafrecht, verankert bleiben. Eine alte Forderung, eine Regelung außerhalb des Strafrechts zu finden, bleibt unberücksichtigt.

Die Möglichkeit zur „Notwehr zugunsten des Embryo“ (Zieglwalner) wird mitnichten abgeschafft, sondern durch den „Beratungs“zwang mit Ziel des „Lebensschutzes“ geradezu erst eingeführt. Professor Wolfgang v.d. Daele (Berlin) hat nachgewiesen, daß unter diesem Motto in den USA bereits Gerichtsverfahren stattgefunden haben, wie übrigens auch die taz schon berichtet hat (zum Beispiel wegen Kokainverzehr während der Schwangerschaft). Mit Fortschreiten der Verrechtlichung der Beziehung zwischen der Frau und ihrer Frucht wird diese Klagemöglichkeit gegen die Frau immer wahrscheinlicher.

Die Zwangs„beratung“ ist nicht nur für die Frauen eine Zumutung, sondern auch für Beratungseinrichtungen wie Pro Familia. An den Erkenntnissen aus 17 Jahren Zwangs„beratung“, die alle gegen diesen Zwang sprachen, wird vorbeigegangen. Dabei hat sich nicht nur unsere Organisation, sondern 1988 auch die Diakonie in Essen dagegen verwahrt, zahlreiche andere Einrichtungen ebenso.

Dieser sogenannte Kompromiß ist eine vertane Chance, wirkliche Verbesserungen für schwangere Frauen zu erreichen. Sollte er in dieser Woche verabschiedet werden, ist er nur für bestimmte Leute und nur in einer Hinsicht erleichternd: das unangenehme Thema kann wieder aus der Öffentlichkeit verschwinden. Pro Familia läßt sich allerdings nicht so rasch zum Schweigen bringen. Für den Landesverband Hamburg Elke Kügler

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