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Serben wollen zivile Ziele schonen

Sarajewo (ap/afp) — In Bosnien- Herzegowina wird ein neuer Versuch unternommen, die Kämpfe um die Hauptstadt Sarajevo zu beenden und den Flughafen für Versorgungsflüge der UNO zu öffnen. Der UNO- Kommandeur in Sarajevo, Generalmajor Lewis MacKenzie, teilte am Donnerstag mit, die Serben hätten angekündigt, daß sie keine zivilen Ziele mehr beschießen würden. Außerdem hätten sie sich bereit erklärt, ihre schweren Waffen in der Umgebung der Stadt unter Aufsicht der UNO zu stellen. Dies könne zwei bis drei Tage dauern.

MacKenzie machte seine Ankündigung nach einer relativ friedlichen Nacht, in der nur gelegentlich Artilleriefeuer und Schüsse zu hören waren. Er hoffe, daß der Beschuß ziviler Ziele sofort eingestellt werde. Gefragt, ob dies auch ein sofortiges Ende des Heckenschützenfeuers bedeute, äußerte sich der UNO-General aber skeptisch.

Die UNO-Aufsicht über die serbische Artillerie, die Sarajevo von den angrenzenden Hügeln im Visir hat, ist eine der Vorbedingungen für die Öffnung des Flughafens. Die UNO will über ihn die dringend benötigten Lebensmittel in die seit Wochen umkämpfte Stadt bringen. Wie MacKenzie weiter sagte, erklärten sich die Serben bereit, ihre Artillerie zusammenzuziehen und der Kontrolle der UNPROFOR, der Blauhelme in Bosnien und Kroatien, zu unterstellen.

Sollte der Krieg in Bosnien-Herzegowina anhalten, muß Kroatien nach Ansicht von Präsident Franjo Tudjman militärisch intervenieren, um die dort beheimateten Kroaten vor der Vernichtung zu retten. In einem gestern veröffentlichten Interview der französischen Tageszeitung 'Le Figaro‘ bekräftigte Tudjman jedoch, daß er eine „politische Lösung“ einem militärischen Vorgehen vorziehen würde. Gleichzeitig mahnte er Europa, einen Eingreifmechanismus auszuarbeiten.

In Straßburg wurde unterdessen mit einer Dringlichkeitssitzung die EG-Friedenskonferenz wiederaufgenommen. Der Vorsitzende der Konferenz, Lord Carrington, empfing zunächst den serbischen Präsidenten Slobodan Milosević. Anschließend sollte er ebenfalls in Einzelgesprächen mit Tudjman und dem bosnischen Außenminister Haris Silajdzic zusammentreffen. Ob die Vertreter Serbiens, Kroatiens und Bosniens zu einem anschließenden gemeinsamen Gespräch mit Lord Carrington bereit waren, wurde zunächst nicht bekannt.

Seit Ausbruch des Krieges in Bosnien Anfang April hat erstmals ein hoher Vertreter Bosniens seine Teilnahme an einer Sitzung der EG-Friedenskonferenz zugesagt. Beim jüngsten Treffen unter Vorsitz von Lord Carrington am 6. Mai in Brüssel war Bosnien nicht vertreten. Der bosnische Präsident Alija Izetbegović konnte nicht persönlich nach Straßburg kommen, weil er sich in der von den Serben belagerten Stadt Sarajevo befindet. Seit Beginn der EG-Friedensinitiative haben bisher rund ein Dutzend Gesprächsrunden unter Vorsitz von Lord Carrington stattgefunden. Bisher ist es der EG aber nicht gelungen, einen dauerhaften Waffenstillstand in dem Krieg zu erreichen, der vor genau einem Jahr — am 27. Juni 1991 — mit der Belagerung des Flughafens von Ljubljana durch die jugoslawische Bundesarmee begonnen hatte.

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