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Glozinskis werden adlig oder Das Blaue Blut kehrt heim nach Thüringen

Der schöne Konsul Weyer, Retter der armen Adligen, stahl dem heimgekehrten Prinz Richard XIV. Reuss, jüngere Linie, beim öffentlich-bürgerlichen Fernsehtalk die Show  ■ Aus Erfurt Henning von Pawel

Wer in Thüringen immer noch nicht wußte, warum die '89er Revolution stattgefunden hat, seit gestern abend weiß er es. Damit unser alter Adel endlich zurückkehren kann. Sie waren halt doch kein Ersatz, die blauen Halstücher der Jungpioniere, die Blauhemden der FDJler, die ewig blauen Kreissekretäre der SED und der übrigen Blockparteien, für das so schändlich vertriebene Blaue Blut. Nun endlich kehrt es heim.

Im Schloß der Väter zu Meiningen sitzt wieder ein Vertreter des einst regierenden Fürstenhauses. An den Meininger Eichen klang alsbald die Säge mit lustigen Streichen. Sie nahmen der herzoglichen Hoheit die Sicht auf den Teich im Englischen Garten.

Der Herzog verspricht herrliche Zeiten

Segensreich auch das Wirken des künftigen Monarchen für die Menschen der Region. Neunzigjährige sogar soll er reaktiviert haben, die nun in der Stadt umhertappern müssen und zu erzählen haben, wie herrlich es doch war unter dem letzten regierenden Herzog von Sachsen-Meiningen. Absolut nicht ins Gewicht fallen da ein paar Alsheimersche Fehlleistungen jener Bemoosten. „Dort is'r immer neingegangen, unser Herzoch“, sagte kürzlich einer der Uralten wehmütig und wies auf ein prachtvolles Palais. Sein ihn flankierender Zeitgenosse aber bestand darauf, daß „unsr Genosse 1. Bezirkssekretär immer hier neingegange is“. Zum guten Ende dann Konsens. „Sie sin zusammen immer dort neingegangen.“

Auch unsere Wettiner sind zurück und belagern wieder einmal die Wartburg. Sie hat ihnen in den letzten Jahrhunderten zwar überhaupt nicht gehört. Was sich unter den gesegneten Thüringer Verhältnissen aber bald ändern kann.

Als schlichter Bauer heimgekehrt

Im Palmenhaus beim Erfurter Gespräch des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) gestern nun eine weitere Blüte des deutschen Hochadels: Prinz Heinrich der XIV. Reuss, jüngere Linie. Als schlichter Bauer ist er heimgekehrt. Hat pachten müssen oder, schlimmer noch, kaufen, was dem Großvater einst von bodenreformistischer Frevlerhand geraubt.

Erste wonnevolle Freude für den Heimkehrer, die in seinem Herrschaftsgebiet Greiz-Schleiz-Lobenstein ansässige und regierende CDU hat sich bereits umbenannt in „CDU-Kreisverband Reuss“. Auf die jüngere Linie im neuen Namen des Parteiverbandes wurde aus guten Gründen jedoch verzichtet. Denn der Reussenprinz sah sehr alt aus gestern abend, im erbarmungslosen Clinch mit einem weiteren honorigen Gast des Erfurter Gesprächs, dem schönen Konsul Weyer. Jenem segensreichen Paradiesvogel, der durch Adoptionsvermittlung für ständig neuen und in Deutschland so notwendigen Adel sorgt. Der Stifter des Blauen Blutes wurde plötzlich sehr böse auf den Reussen.

Schrecklich dummes Zeug würde der erzählen und vor allem alles bestreiten, was der Konsul dem staunenden Publikum belehrend ins Stammbuch schrieb. Heinrich XIV. aber schüttelte unentwegt zu allem, was der gravitätische Weltmann von sich gab, trotzig und mopsgesichtig den Kopf, und Weyer wurde immer böser. Den halben deutschen Adel habe er vor der Gosse gerettet. Auch einer der prinzlichen Reussenonkel hätte ihn um Rettung vor dem Hungertode angebettelt. Sächsische Krone und Wappen auf dem Etikett eines sehr erfolgreichen kalifornischen Weinguts, ein weiterer Geniestreich des Kosmopoliten.

Eierköpfe und Inzucht

Heinrich Reuss aber schüttelte immer weiter den Kopf, und Weyer holte nun aus zum Todesstoß. Die Inzucht in Adelskreisen sei erschreckend. Gerade deshalb ist Adoption so sehr vonnöten. Die Eierköpfe im Straßenbild, vielsagender Blick zum XIV., wären der eklatante Beweis für die grassierende, blaublütige, adlige Degeneration.

Sichtlich bewegt lauschte dem Disput auch eine Thüringer Jungunternehmerin mit Namen Kristin Glozinski. Nicht nur, daß die Mondäne „schon sehr erfolgreisch im Menetschment ihrer eischnen Modeagentur dädisch is“, nein, ein Märchen wurde wahr, und Kristin wird nun bald in die allerhöchsten Kreise einkehren. Graf Faber-Kastell, er „versischerte die Glozinskische Modeagentur gegen Feuer, Wasser und sonstige Plagen und gewann die Frau des Hauses daderbei sofort furschtbar lieb“. Bald wird sie nun die Seine. Der Graf wohnt, allem Standesdünkel zum Trotz, sogar schon bei den Glozinskis, und, aus berufener Quelle kam es an den Tag, hilft sogar beim Spülen.

Der Verdruß über den entgangenen gewaltigen Adoptionsverdienst war dem schönen Konsul richtig anzuschauen. Wenn auf dieser Welt jemand neuen Adel stiften darf, dann immer nur er. Zugegeben, Kristin Glozinski von Faber-Kastell ist nun für den Konsul verloren. Aber betuchte Anwärter auf ein eigenes Wappen und eine Krone im Taschentuch findet er im neuen Thüringen allemal. Manche Namen klingen einfach noch nicht. Willibald von Böck oder Peppi von Duchac, das hört sich doch wirklich ganz anders an.

Auch die Moderatoren jener Sendung des MDR verdienen für diese einmalige televisionäre Leistung einen tüchtigen Hieb — mit Weyer zu sprechen, einen Ritterschlag.

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