Auf und ab in Ost und West

■ Der 218: Ein Paragraph, der jedes Parlament erschüttern kann

1991 jährte sich zum 120. Mal der Tag, an dem in Deutschland der 218 in Kraft trat. Im Laufe seiner Geschichte erfuhr er immer wieder Veränderungen und zur Zeit des Nationalsozialismus massive Verschärfungen. Doch in einem blieb er sich stets gleich: Abtreibungen wurden mit einer hohen Haftstrafe geahndet. Nach dem Zweiten Weltkrieg hoben die Alliierten die verschärften Gesetzesbestimmungen der Nazis auf. Sowohl in der sowjetisch besetzten Zone als auch in den Westzonen trat die alte Fassung des §218 von 1926 wieder in Kraft, die Frauen unter Androhung von fünf Jahren Freiheitsstrafe die Abtreibung verbot.

Doch schon wenig später begann hinsichtlich des Schwangerschaftsabbruchs in beiden deutschen Staaten geteiltes Recht zu wirken: Im ersten Jahr nach ihrer Gründung erließ die DDR das „Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“. Begründet wurde diese Neuerung, die nur medizinische Gründe für einen Abbruch zuließ, mit dem „ungesunden Verhältnis in der Zahl der Frauen und Männer“. Die kriegsbedingte Ausdünnung vor allem der männlichen Bevölkerung sollte mit Hilfe staatlicher, sozialpolitischer Maßnahmen für Mütter und Kinder wieder auf Vordermann gebracht werden.

Doch das rigide Gesetz griff nicht in der gewünschten Weise, der Abtreibungstourismus in Richtung Polen und CSSR florierte. In den 60er Jahren kam es dann in der DDR zu einer allmählichen Liberalisierung des Abtreibungsrechts mit sozialer Indikation.

Die Fristenregelung wurde 1972 als Geschenk zum Frauentag präsentiert. Woher sie kam, wußte niemand so genau. Im SED-Zentralorgan 'Neues Deutschland‘ erschien schon im Dezember 1971 an versteckter Stelle eine Mitteilung, die das geplante Gesetzesvorhaben ankündigte. Am selben Tag wurde auch der visafreie Reiseverkehr nach Polen bekanntgegeben. Mit der neuen Regelung, die den Frauen in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft die freie Entscheidung über die Abtreibung zubilligen wollte, sollten also auch Abtreibungsfahrten ins östliche Nachbarland überflüssig gemacht werden.

Zudem forderte in der Bundesrepublik mittlerweile die Frauenbewegung die ersatzlose Streichung des 218. Nach der Devise „Überholen ohne einzuholen“ beschlossen die Volkskammerabgeordneten also auf Vorschlag des ZK der SED das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“. Allerdings nicht alle: Als einziges Gesetz in der Vorwendezeit fand es Gegenstimmen, sie gingen auf das Konto von 14 Abgeordneten aus den Reihen der sonst so braven Blockflöten von der CDU. Zuvor hatten allerdings auch die katholischen Bischöfe der DDR die Abtreibung längst als „verabscheuungswürdiges Verbrechen“ gebrandmarkt.

Im Gegensatz zur DDR-Regelung, die hinter verschlossenen Türen von der Staatspartei ausgeheckt wurde und dann staatlich verordnet wurde, wurde die Geschichte des 218 in der BRD von massiven Protesten der Frauenbewegung, Kampagnen und öffentlichem Schlagabtausch begleitet. Die Selbstbezichtigungskampagne 1971 im 'Stern‘ heizte die öffentliche Diskussion noch einmal an. Aufsehenerregend verlief 1974 die abschließende Lesung der 218-Reform. 51 Abgeordnete der sozialliberalen Koalition schlugen die Fristenregelung vor. Zum ersten Mal in der Geschichte der BRD wurde eine Stichabstimmung notwendig, in der die Fassung mit 247 zu 233 Stimmen eine knappe Mehrheit erhielt. Am Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter scheiterte sie aber ein Jahr später. Seither schlagen West-Frauen sich mit Indikationen und vorheriger Beratungspflicht herum. In den letzten Jahren auch noch mit Versuchen, die Abtreibungsregelung zu verschärfen. Ein Beratungsgesetz tauchte unter Mitwirkung von Rita Süssmuth auf, wurde heftig diskutiert und verschwand wieder in den Schubladen. Memmingen hallt noch in allen Ohren, und an der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Holland versuchten eifrige Staatsanwälte dem weiterhin rollenden „Abtreibungstourismus“ Einhalt zu gebieten.

Mehr als 80 Prozent aller Frauen, die in der Bundesrepublik abtreiben wollen, berufen sich dabei auf die soziale Notlagenindikation. Daß auch diese von den Krankenkassen finanziert wird, ist CDU und CSU schon lange ein Dorn im Auge. Ein Grund dafür, daß die CSU in Karlsruhe gegen die Krankenkassenfinanzierung von Abtreibungen Klage eingereicht hat. Die Verfassungsrichter wollen jedoch zunächst die durch den Einigungsvertrag notwendig gewordene gesetzliche Neuregelung des Abtreibungsrechts abwarten. Flo