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„Seidenstraße“ rund ums Schwarzmeer

Vertreter der Anrainerstaaten des Schwarzen Meers planten in Istanbul einen gemeinsamen Markt  ■ Von Barbara Kerneck

Moskau (taz) — Urheber der Idee eines „Gemeinsamen Marktes“ der Schwarzmeeranrainer Rußland, Türkei, Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Albanien, Bulgarien, Griechenland und Rumänien war vor zwei Jahren der Präsident der Türkei, Turgut Özal.

Aber nachdem der Istanbuler Schwarzmeergipfel vorgestern Abend zu Ende gegangen war, gefiel sie Rußlands Präsidenten Boris Jelzin so gut, daß er auch schon immer daran gedacht haben wollte. Er würdigte den Plan als „höchstwichtigen Bestandteil des allgemeineuropäischen Prozesses“.

Die Aufmerksamkeit der Berichterstatter galt indessen eher der politischen Küche des Osmanischen Palastes, wo man sich Randgespräche über die Konflikte zwischen den Repräsentanten der GUS-Krisenregionen erwartete.

Zwischen den Präsidenten Armeniens, Ter-Petrossjan, und Aserbaidschans, Elcibey, kamen sie dann doch nicht zustande. Letzterer hatte erklärt, vor Gesprächen auf höchster Ebene müßten erst einmal die Voraussetzungen durch die jeweiligen Außenminister ausgearbeitet werden. Das mit viel Spannung erwartete Treffen zwischen den Präsidenten Rußlands, Moldawiens, Rumäniens und der Ukraine fand hingegen statt und führte zu einem vorläufigen Resultat. Es sah die Einstellung des Feuers um die moldawische Stadt Bendery binnen 24 Stunden vor, auf die dann die schrittweise Auflösung der moldawischen und russischen bewaffneten Formationen in dem Gebiet folgen soll. Ebenso wie bei den am Mittwoch im russischen Dagomys abgeschlossenen Verhandlungen über den Süd-Ossetien-Konflikt soll um die „Dnjestr-Republik“ ein Korridor gezogen werden, der die feindlichen Parteien daran hindert, sich zu beschießen. Eine zweistaatliche Parlamentarier-Kommission wird dort nach dem rechten sehen. Rußland gelobt, seine 14. Armee künftig neutral zu halten. Die Hauptschwäche der Istanbuler und Dagomyser Vereinbarungen liegt im Falle beider Krisenregionen im Fehlen einer für die jeweiligen Separatisten annehmbaren Definition des Status ihrer Region. Mircea Snjegur war in Istanbul nicht bereit, für die „Dnjestr-Republik“ den Rang einer Autonomen Republik, auch nicht innerhalb Moldawiens, einzuräumen.

„Dies ist kein politisches, sondern ein wirtschaftliches Dokument“, meinte Jelzin zur Abschlußresolution und erklärte somit, weshalb das Treffen auch Kontrahenten anzog, die sich hier ursprünglich nicht begegnen wollten. Als erster Schritt zu der geplanten Wirtschaftsunion ist die Gründung einer gemeinsamen Investitionsbank der Anrainerstaaten geplant. Am Ende sollen freier Personen- und Warenverkehr rund um das Schwarzmeerufer stehen, freie Dienstleistungen in den Häfen, Vereinheitlichung der Zoll- und Steuerbestimmungen und des Kommunikationsnetzes. Eine Straße rund um das gesamte Meeresufer ist geplant, von Özal als „Seidenstraße unter modernen Bedingungen“ bezeichnet. Nachdem die Staatsmänner nach Hause gefahren sind, werden feste Arbeitsgruppen weiterwirken, darunter auch eine zur ökologischen Sanierung des Schwarzen Meeres. Und mindestens einmal im Jahr soll ein Konsultationstreffen der Außenminister stattfinden. „Die Meinungsverschiedenheiten von heute können morgen vielleicht schon verschwunden sein“, hoffte der türkische Premierminister Demirel am Ende.

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