: Erst wenn es auf die Socken geht
■ Einer der besten Bundesliga-Schiedsrichter: Hans-Joachim Osmers aus Bremen
hierhin bitte
den Mann mit
Krawatte
unter einem Plakat
(„Weser-Stadion...“)
Hans-Joachim Osmers: In dieser Saison errang er unter allen 36 Bundesligaschiedsrichtern den zweiten Platz.Foto: Tristan Vankann
Daß er die Geburt seiner jüngsten Tocher miterleben konnte, verdankt Hans-Joachim Osmers (44) dem Wetter: Weil im besagten Dezember 1981 ein Heimspiel des FC Schalke 04 überraschend ausgefallen war, kam Osmers früher als geplant zurück nach Bremen. Hans-Joachim Osmers, man ahnt es schon, ist Schiedsrichter.
Warum wird jemand Schiedsrichter? „Aus Interesse am Fußball“, sagt Osmers, dann eine kleine Pause — soll er es sagen? Na gut. „Und weil man zum Spielen einfach nicht gut genug war.“ Bis zur A-Jugend beim SV Hemelingen hat er als halbrechter Stürmer sein Glück getrieben, bevor
er die Vereinsfarben auf dem Fußballplatz gegen schlichtes Schwarz eintauschte: 1965 erhielt Osmers nach erfolgreichem Schiedsrichter-Lehrgang die Lizenz zum Pfeifen. Heute ist er einer der besten Bundesliga- Schiedsrichter.
Ein weiter Weg, und ein dornenreicher. Was einem da in den unteren Klassen so alles passiert, wenn man die Lizenz erst einmal hat: Da werden die Schiedsrichter „in übelster Weise beleidigt“, werden von aufgebrachten Spielern tätlich angegangen, von erbosten Fans nach dem Spiel im Umkleideraum eingeschlossen oder bis nach Hause verfolgt. „In der Kreisklasse springen die meisten wieder ab.“
Osmers nicht. Von den unteren Klassen hat er sich hochgepfiffen, sein erstes Oberliga-Spiel ist lange her, Poppenbüttel gegen Heider SV, das Ergebnis hat er vergessen, für das private Archiv sammelt er nur die wichtigen Spiele aus der Zeitung.
Mittlerweile hat er 90 Bundesliga-Spiele gepfiffen, in diesem
Kaum einer schafft den leidvollen Weg nach oben: „In der Kreisklasse springen die meisten wieder ab.
Jahr machte er unter allen 36 Bundesliga-Schiedsrichtern den 2. Platz: Sein bisher bestes Ergebnis. Alle Bundesliga-Schiedsrichter werden nämlich permanent vom DFB überwacht, ein Punktsystem mit Tabellen bestimmt den Tabellenplatz, und wie im richtigen Fußballer-Leben steigen auch bei den Schiedsrichtern die schlechtesten ab.
Was die Schwarzen so alles leisten müssen: Beileibe nicht nur die Regeln in- und auswendig kennen, sondern auch 2.600 Meter unter 12 Minuten laufen, 200 Meter in 35 Sekunden, 50 Meter in 7,5 Sekunden und drei 20-Meter-Spurts in 12,5 Sekunden. All diese Fähigkeiten werden einmal jährlich vor der Saison in einer Sportschule des DFB überprüft.
In der Winterpause treffen sich die 36 Auserwählten, um über aktuelle Probleme des Schiedsrichterwesens zu diskutieren: Das Unwesen der Schwalbe und mit welchem Pfeifverhalten man ihr tunlichst begegnet.
Neben Ruhm und Ehre bekommen die Bundesliga-Schiedsrichter — als Neuerung von der nächsten Saison an — 2.500 Mark pro Spiel, „aber natürlich geht es nicht um's Geld“.
Von Haus aus ist Osmers Baustoff-Kaufmann. Geschäftlich hat er sich ebenfalls mit dem Fußball liiert: Er verkauft für die Deutsche Städte-Reklame die Bandenwerbung im Weserstadion, unter anderem. Interessenskonflikte mit dem SV Werder gibt es da nicht: Nie würde der DFB einen Bremer im Weserstadion pfeiffen lassen.
Schiedsrichter sind Persönlichkeiten. „Man muß seinen eigenen Weg suchen“, sagt Osmers. Wegen der Glaubwürdigkeit auf dem Platz. Aufgesetzes Verhalten schwächt nur die Autorität des Unparteiischen. Hans- Joachim Osmers hat durchaus seinen Stil gefunden: „Hart im Nehmen, hart im Geben“, und ist gut gefahren: In seinen neunzig Bundesliga-Spielen hat er nur fünf rote Karten gezeigt.
„Ich bin auf dem Platz der 23. Sportkamerad“, sagt Hans-Joachim Osmers, und „nur wenn wir merken, daß es auf die Socken geht, bestrafen wir.“ Dann wird man „zum totalen Einzelkämpfer“, wie damals, als er beim Spiel Kaiserslautern gegen Köln beim Spielstand von 1:1 zehn Minuten vor Schluß einen Elfer gegen die Platzherren gepfiffen und zu guter Letzt den Sünder wegen Meckern vom Platz gestellt hat. „Da kochte der Betzenberg“, aber Osmers blieb hart: „Ein Bilderbuch-Elfmeter“, findet er heute noch.
Osmers bezichtigt sich einer ganze Liste von Eigenschaften, die den Schwarzen Männern zu eigen sein müssen. „Ehrlichkeit, Objektivität, Charakterstärke, Gerechtigkeitsgefühl, Pünktlichkeit. Denn sehen Sie: niemand hat im zivilen Leben soviel Macht und Entscheidungsbefugnisse wie wir Schiedsrichter.“
Wie auf dem Fußballplatz, so auch im Leben. Nein, der Schiedsrichter in seiner Familie sei er nicht, aber „wenn es mal Meinungsunterschiede gibt, entscheide ich.“ Ordnung „spielt bei mir eine große Rolle“.
Die Zeitungsberichte über das ausgefallene Schalke-Spiel hat er übrigens auch archiviert. Für die Mappe seiner Tochter. „Ihr persönlicher Spielberichtsbogen“, sagt er und lacht. Markus Daschner
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