: Mach meine Torte nich an!
■ Auf der illegalen Straßenparty der „Free Eagles“ in Walle: Harley's, Bier und Totenköppe / Und die Polizei machte Mucke
Wer flüchtig in die selbst schon reichlich obskure Kohlenstraße reinsah — als im Hafen noch was los war, waren hier Strich, Bars und Puffs, heute kauft man Heizöl, alte Schränke und englische Autos —, bekam Stoff satt für seine Klischees: schwarzlederne Finsterlinge hatten die Straße gesperrt, dröhnende Musik, Bierdunst, wüstes Outfit, abenteuerlich umgebaute Motorräder.
Astreiner Bürgerschreck: Am Bahndamm zwischen Findorff und Utbremen, in der Kohlenstraße, stieg also am Samstag eine ganz besondere Fete: die gefürchteten Rocker vom Motorradclub (MC) Free Eagles machten mal wieder Party.
Etwa 150 Leute waren beim Clubraum der Eagles, Abt., nein: Chapter Bremen zusammengekommen, darunter auch Torten (=Frauen), Hunde und Kinder. Zu begehen gab es zweierlei: den zehnten Geburtstag des MC und, im Gedenken an ein großes Feuer, eine Support-Fete für das Eagles- Chapter Delmenhorst.
Am 10. Juni hatten Unbekannte deren Domizil, die „Mäuseburg“ im Wald bei Ganderkesee, angesteckt. Die ehemalige Jugendherberge ganz aus Holz, in der auch vier Familien wohnten, brannte komplett nieder. Zwei Hinde verbrannten mit. Seitem logieren die Delmenhorster ebenfalls in Bremen. Alle Einnahmen des Abends gingen nach Delmenhorst.
Ein Familientreffen der rauhen Art. Gewaltige Bärte, imponierende Koteletten, fette Bäuche, mit beispielhaftem Selbstbewußtsein getragen, großflächige Tätowierung, Kutten (=Westen) aus endlos geficktem Stoff mit Kreuz, Flügeln und Totenkopf, rüde Begrüßungsrituale und konsequentes Besaufen mit Krefelder (Cola plus Bier). Gültige Währung: der selbstgedruckte Free Eagles- Dollar.
Auf einem Garagendach spielten sich diverse Bands in Bikers Herz, darunter Rumble on the Beach und Gutter & Gust und die international unterschätzte Gröpelinger Kultband von Schorse Bley, Spätschicht. Rock'n'Roll rauf und runter, von Blues nach Hillbilly und zurück, Hauptsache: USA. Südstaaten. Denn japanische Reißbüchsen und deutsche Gummikühe standen in der Kohlenstraße nicht: Harley Davidson heißt das Motorrad, Amerika der Mythos. 50 dieser sündhaft teuren Kultmotorräder mit dem Riesenmotor, dem winzigen Tank und dem infernalischen Sound säumten den Straßenrand und waren in der Regel wohl nur
von ausgewählten TÜVs abgenommen.
Ein rechter MC hat eine klare Hierarchie und einen Präsi (-denten). Nicht so die hiesigen Eagles. Stefan von der Gaststätte Eastside, nebenbei Wortführer: „Wir sind ein demokratischer Verein.“ Tolerant ist man auch: Wer keine Harley hat, ist, anders als anderswo, kein Feind, sondern ein beklagenswertes Würstchen. Stefan: „Wer die Kohle dafür nicht hat, ist deswegen kein schlechter Kerl.“
Die Mehrzahl der Eagles ist inzwischen über 30. Große Kloppereien und andere Exzesse sind umso seltener geworden: „Wir sind meistens unter uns.“ Der Knackpunkt ist aber immer noch die Kutte: Wer ihnen an diese will, wie z.B. rivalisierende MCs oder Diskotheken mit Kuttenverbot, muß mit heftigen Reaktionen rechnen.
Das „Straßenfest“ in der Kohlenstraße ist selbstverständlich nicht genehmigt, die Straßensperrung der Eagles ist von rechts wegen ein unerlaubter Eingriff in den Straßenverkehr, der Lärmpegel ist enorm hoch — wo also ist die Polizei? „Wo ist hier der Chef?“ wollen die zwei jungen Streifenbeamten wissen. Und die Straßensperre „lassen wir erst mal.“ Dann bestaunen sie die Motorräder. Im Ansatz deeskalierend, die Jungs.
Und dann das Bild, das auch dem Unvoreingenommensten die Fassung raubt: Bald hockt hinter der illegalen Straßensperre ein Polizist in voller Amtstracht und schrummt auf der Gitarre zusammen mit einem Eagle einen rauhen alten Southern-Song.
Daß nicht mal an dieser Front Ordnung herrschen mag, stimmt denn doch nachdenklich. Burkhard Straßmann
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