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SPD gibt plötzlich im Tempo-30-Poker nach

■ In vier Straßen darf demnächst schneller gefahren werden/ Charlottenburg ist dagegen, daß in der Richard-Wagner-Straße Tempo 50 eingeführt wird/ SPD stimmte Wunsch der Verwaltung trotzdem zu/ Unfallzahlen wurden am Freitag vorgelegt

Berlin. Die Verkehrsverwaltung wird demnächst in vier Westberliner Straßen Tempo 30 aufheben. Darauf einigten sich überraschend Vertreter der SPD mit dem Staatssekretär der Verkehrsverwaltung, Ingo Schmitt (CDU), am vergangenen Freitag. De facto werde ab September in den vier Straßen wieder Tempo 50 gefahren werden können, sagte Helmut Fechner, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, der taz auf Anfrage. Über die 37 anderen Tempo-30-Straßen im Westteil der Stadt, in denen Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) seit einem Jahr die Autos wieder schneller fahren lassen will, werde mit der SPD in der Sommerzeit verhandelt, sagte Alexander Kaczmarek, persönlicher Referent des Verkehrssenators: »Dann soll die Kuh vom Eis sein.«

Bis Ende der Woche hatte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD, Käthe Zillbach, noch behauptet, daß ihre Partei nur dann der Wiedereinführung von Tempo 50 zustimme, wenn die Verkehrsverwaltung erstens die Unfallzahlen vorlege und zweitens die Betroffenen höre. Das plötzliche Nachgeben der Sozialdemokraten im Tempo-30-Poker begründete Fechner damit, daß die Verwaltung die Unfallzahlen für alle 41 Straßen am vergangenen Freitag vorgelegt habe. Wie die Bilanz dieser Zahlen aussehe, erinnere er sich nicht: »Ich habe auf die Tabelle bloß so einen Blick geworfen.« Die Liste habe Zillbach mitgenommen, die zur Zeit im Urlaub auf Kuba weilt. Der Referent des Senators konnte über die Unfallentwicklung in den 41 Straßen ebenfalls keine Auskunft geben, da er die Liste nicht kenne.

In welchen Straßen Tempo 30 aufgehoben werden sollte, wollten weder Fechner noch Kaczmarek preisgeben. Man wolle das Paket, auf das man sich einigen werde, nicht zerbröckeln, begründet Fechner sein Schweigen. Die Aufhebung von Tempo 50 in den vier Straßen sei aber unstrittig gewesen. Das sieht wiederum Claus Dyckhoff (SPD) anders. Der Charlottenburger Baustadtrat bemängelt, daß in der Richard-Wagner-Straße wieder schneller gefahren werden soll. Erstens befinde sich an der Straße eine Behindertenschule, und zweitens habe die Verbindung keine überbezirkliche Bedeutung. Autofahrer würden dort nur deshalb schnell fahren, weil die Straße vierspurig sei. Zu Nachbesserungen sei Dyckhoff aber durchaus bereit. Eine der vier Spuren könnte als Fahrradweg genutzt werden. Dyckhoff beschwerte sich, daß über Tempo 30 während der Sommerpause entschieden werde. Das sei eine »ganz schlimme Methode«, weil die Bezirksverordneten in Urlaub seien und er sie nicht befragen könne.

Die Einführung von Tempo 50 ist also nicht umstritten. Doch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD distanzierte sich von dem Baustadtrat. Denn in der Fraktion sei man sich über die Richard-Wagner- Straße einig gewesen. Vor Schulen werde Tempo 30 selbstverständlich beibehalten.

Das Verfahren für die weiteren 37 Straßen wird in einer Arbeitsgruppe geklärt, die aus Vertretern der SPD, CDU und Verkehrsverwaltung zusammengesetzt ist. Neben der Unfallstatistik sollen auch die Stellungnahmen der Bezirke berücksichtigt werden, die von sehr verschiedener Qualität seien, sagte Fechner. Mit der Wiedereinführung von Tempo 50 solle den Veränderungen durch die Vereinigung der Stadt Rechnung getragen werden. Mit dem ausgehandelten Gesamtpaket werde man an die Öffentlichkeit gehen. diak

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