KOMMENTAR: Bestechung gehört dazu
■ Senat verteidigt den Mythos, um Olympia zu retten
Als das Exekutivgremium des IOC im September 1991 in Berlin tagte, nutzte das der Senat zur ausgiebigen Bearbeitung der berufsmäßigen Sportler. Man ließ sich nicht lumpen. Selbst ein Abendessen vor dem Pergamonaltar stand im Programm. Dennoch wurde hinterher als provinziell bemängelt, daß ein angereistes IOC-Mitglied nicht — wie von diesem als üblich erwartet — aufwendig und überreich in teuren Zwirn gehüllt und mit nützlichen Mitbringseln bedacht wurde. Daraus hat man zweifellos gelernt. Das entrüstete Dementi kann man deswegen vergessen — zumal Olympia-Geschäftsführer Nawrocki dies ausdrücklich nur auf seine kurze Amtszeit bezieht.
Aber was ist eigentlich der Skandal? Intern weiß jeder um die goldenen Gefälligkeiten, die im olympischen Bewerbungs-Hürdenlauf nötig sind. Die Absicht der Bestechung oder die Ausspähungsversuche der IOC-Oberen sind deshalb geschenkt. Skandalöser ist vielmehr die Heuchelei des Senats. Damit soll auf durchsichtige Weise ein Mythos gerettet werden, anstatt schlicht zuzugeben, daß ohne die Coke-Millionen Atlanta für 1996 nie den Zuschlag erhalten hätte. Schließlich sind olympische Amateure weder auf der Tartanbahn noch bei den Funktionären anzutreffen. Die finanziellen Aufmerksamkeiten für die Funktionäre sind deswegen nur die andere Seite von klug kalkuliertem Doping und totaler Kommerzialisierung der Spiele. Wer Olympia in Berlin will, muß deswegen auch sagen, daß Bestechung dazugehört. Um den Schaden beim IOC, wie Nawrocki erklärt, geht es gar nicht, sondern um die Stadt. Weiterhin so zu tun, als sei das Jahrestreffen der Bruderschaft zum ehrlichen Hirten geplant, ist ein Betrug an den Berlinern. Einzig dieses mit Unschuld kolorierte Bild von Völkerfreundschaft und fairem Wettkampf ist es derzeit doch, was in der Stadt die Olympia-Bewerbung noch trägt. Geht dieses Bild kaputt, dann werden auch andere Fragen gestellt, dann stehen die ungeklärte Finanzierung und brüchige Nutzungskonzepte in erbärmlicher Blöße da. Bricht der Mythos Olympia zusammen, dann sind auch die Spiele in Berlin gestorben. Gerd Nowakowski
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