: Revolte im Karneval
■ Heimatklänge auf der Leinwand: Karibik-Filme im Beiprogramm des Festivals
Die afro-kubanische Musik wurzelt im Protest gegen die jahrhundertelange Ausbeutung und Unterdrückung der Schwarzen durch eine weiße Minderheit. Auch der Karneval ist in der Karibik keineswegs nur Ausdruck sorgloser Ausgelassenheit, sondern eine Antwort auf die Lebensumstände in der Region. Im Rahmen des diesjährigen Heimatklänge-Festivals sind eine Reihe von Filmen aus der karibischen Region zu sehen, international berühmte und hierzulande noch unbekannte Filme, die alle den Aufstand zum Thema haben, der im Karneval steckt.
In Queimada (Gillo Pontecorvo, 1969) kämpft Marlon Brando als britischer Kolonialoffizier je nach wirtschaftlicher Interessenlage seines Landes für die Befreiung beziehungsweise die Unterdrückung der Sklaven. Auch Jimmy Cliff kämpft (The Harder They Come von Perry Henzell, 1972), allerdings ohne den Rückhalt einer Monarchie und in erster Linie für seinen persönlichen Traum, den Slums von Kingston zu entrinnen und ein Reggae-Star zu werden. Sein blutiger Untergang macht deutlich, daß es kein Entkommen geben kann. Die Ausnahme von der Regel zeigt Euzhan Palzy in Straße der Negerhütten. Die Regisseurin aus Martinique konnte 1983 mit diesem Film einen überwältigenden Erfolg auf ihrer Heimatinsel verbuchen und erhielt in Venedig einen Silbernen Bären.
»Wenn der Neger singt, weint er«, korrigiert ein Sklave in La Ultima Cena (Tomás Gutiérrez Alea, 1976) die romantisierenden Ausführungen seines Gutsbesitzers zum Thema schwarze Gesänge. Anläßlich der Karwoche hat der Adlige zwölf der sonst von seinem Aufseher brutal Geschundenen zu einem rituellen Abendmahl versammelt. Versiert rechtfertigt er die Fron mit christlicher Lehre, ohne gutes Gewissen kommt er nicht aus. Selbst die abgeschlagenen Köpfe von elf aufrührerischen Sklaven läßt er um ein Kreuz herum aufspießen. — Die volksferne Verquickung von Kirche und weißer Oberschicht schürt auch die Konflikte in Ava & Gabriel (Felix de Rooy, 1990), ein Film, der 1948 auf Cura¿ao spielt. Der schwarze Maler Goedbloed will das Marienfresko in der Kirche nach einem schwarzen Modell, der Lehrerin Ava, malen. Während sich die weißen Soutanenträger den Kopf darüber zerbrechen, ob eine »antillische Madonna« mit dem Dogma vereinbar sei, sehen wir Ava mit wiegenden Hüften die Dorfstraße entlanggehen. Als dann auch noch die Gattin des holländischen Gouverneurs, die in schwarzen Männern grundsätzlich brodelnde Leidenschaft vermutet, ihre Sympathie für den Maler offen auslebt, ist die Eskalation nicht mehr aufzuhalten. Am Ende wird die antillische Madonna weiß übertüncht: Konfliktbewältigung im Kolonialstil.
500 Jahre karibischer Geschichte läßt Med Hondo (West Indies, 1979) in den Kulissen einer Sklavenkarawane Revue passieren, wobei eine mitreißende Kamera und die aufwühlenden Trommeln nur bedingt mit dem Lehrstückcharakter des Films versöhnen können.
Ganz anders natürlich Woody Allen. Mit den Mitteln des Slapstick bugsiert er sich in Bananas (1971) an einer Ernennung zum Diktator einer lateinamerikanischen Insel vorbei in eine erfolgreiche Laufbahn als Revolutionär, um dann in den USA als Staatsfeind verurteilt zu werden.
Last not least bietet das Heimatkino einen willkommenen Anlaß, sich den atemberaubenden Mambo von Maruschka Detmers und Armand Assante (Mambo Kings Arne Glimcher, 1990) noch einmal unter freiem Himmel anzuschauen, oder zum x-ten Mal den elektrisierenden Blicken Blicken zwischen Humphrey Bogart und Lauren Bacall in To Have And Have Not (Howard Hawks, 1944) zu verfallen. Barbara Wilderotter
1.7.-30.8., jeweils sonntags, 21.30 Uhr im Tempodrom, umsonst & draußen, dienstags und mittwochs, 22.15 Uhr im Kino Arsenal.
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