Kauf mal schnell 'ne Wohnung!

Bundesgerichtshof erleichtert die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erheblich/ Altbauten betroffen/ Kündigungswelle mit Hinweis auf Eigenbedarf befürchtet  ■ Von Eva Schweitzer

Karlsruhe/Berlin (taz) — Eine Spekulationswelle wird auf bundesdeutsche Städte zurollen, nachdem Altbauwohnungen nun ungehindert in Eigentumswohnungen umgewandelt werden können: Der gemeinsame Senat der obersten Gerichte hat gestern die derzeitige Praxis vieler westdeutscher Großstädte, die dazu nötige Abgeschlossenheitsbescheinigung zu verweigern, untersagt (die taz berichtete). Damit korrigierten die Richter ein vorangegangenes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Nach diesem Urteil brauchten Abgeschlossenheitsbescheinigungen nur dann erteilt zu werden, wenn die Wohnungen heutigen Anforderungen an Schall-, Wärme- und Feuerschutz genügen. Das ist bei Altbauwohnungen generell nicht der Fall. Diese Praxis, von München vor drei Jahren zuerst angewandt, brachte die Umwandlung von Altbauten fast ganz zum Erliegen: Die Umwandlung sank in den meisten Großstädten von in der Regel 4.000 bis 8.000 Wohnungen im Jahr auf unter 1.000.

Damit ist nun Schluß. Der gemeinsame Senat der obersten Gerichte folgte der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs, nach der es nur darauf ankommt, daß die Wohnungen aus eigentumsrechtlicher Sicht klar voneinander abgegrenzt sind. Das Urteil werde zwar „erhebliche mietrechtliche Implikationen“ mit sich bringen, sagte der Präsident des Bundesarbeitsgerichts, Otto Kissel, der dem gemeinsamen Senat angehört. Weitere Schutzmaßnahmen für die betroffenen Mieter seien jedoch Sache des Gesetzgebers. Das Urteil ist bindend.

Das Urteil ist „entsetzlich, aber nicht unerwartet und eine Watsche für den untätigen Gesetzgeber“, sagte Dr. Thomas Böhle, der zuständige Abteilungsleiter beim Münchner Oberbürgermeister, unter dessen Ägide die nun gekippte Münchner Regelung geschaffen wurde. Es werde einen Riesenansturm von Hauseigentümern auf die Bauämter geben, die umzuwandelnde Wohnungen bereits „auf Vorrat“ gekauft hätten. Durch das faktische Umwandlungsverbot seien 200.000 der 650.000 Münchner Wohnungen aus dem „Schußfeld der Spekulanten“ genommen worden, sagte Böhle. Denen drohe nun die Umwandlung, der meist eine Eigenbedarfskündigung folge. München fordere deshalb vom Bund ein generelles, befristetes Umwandlungsverbot für Ballunsgebiete, was nicht nur von der rot-grünen Stadtregierung, sondern auch von den Rathausfraktionen der CSU, der „Republikaner“ und sogar der FDP mitgetragen werde. Berlins Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) forderte außerdem, daß der Kauf umgewandelter Wohnungen nicht mehr steuerlich gefördert werde.

Auch der Deutsche Mieterbund fürchtet eine „beispiellose Umwandlungswelle mit verheerenden Folgen für die Mieter“. Den Kommunen sei das wirkungsvollste Instrument im Kampf gegen die Umwandlungsspekulation genommen worden. Obwohl es seit 15 Monaten entsprechende Gesetzentwürfe gebe, sei die Bundesregierung untätig gewesen. Damit nehme sie Mieterverdrängung billigend in Kauf. Auch die SPD-Fraktion im Bundestag — deren Antrag, Umwandlungen zu erschweren, in erster Lesung von den Regierungsfraktionen abgelehnt worden war — warnte vor der nun folgenden Hochkonjunktur von Umwandlungsspekulation. Der SPD- Antrag, der vom Bundesrat beschlossen wurde, müsse Gesetz werden. Außerdem wolle man die Kündigungsschutzfrist von Mietern umgewandelter Eigentumswohnungen von drei Jahren — in Großstädten fünf Jahre — auf fünf Jahre beziehungsweise sieben Jahre verlängern.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hingegen begrüßte das Urteil. Es gebe keinen Grund zur Panikmache, sagte sie. Die derzeitigen Kündigungsschutzfristen reichten aus. Auch der Zentralverband der Haus- und Grundbesitzer und der Ring Deutscher Makler äußerten sich zufrieden. Unseriöse und spekulative Umwandlungspraktiken in Einzelfällen dürften die Erhaltung wertvoller Altbausubstanzen nicht verhindern, sagte Verbandspräsident Jahn.