: Eisbär auf Sommerurlaub
■ Grant Hart und seine Band Nova Mob spielten im Loft
Bei manchen Menschen freut man sich einfach, daß sie noch da sind. Bei manchen Musikern darf man sich sogar freuen, daß sie noch leben. Grant Hart ist so ein Fall. Nach dem Split von Hüsker Dü haben sich die Gerüchte überschlagen, der Trommler hätte zu viele Probleme mit dem Rock'n'Roll- Lifestyle, vor allem mit den Drogen gehabt, was angeblich auch zur Auflösung geführt haben soll. Schneller, als jedermann damit rechnete, nahm er im Alleingang Intolerance auf und kam fortan fast jedes Jahr auf Tournee, wenn sich auch das Publikum bei weitem nicht mehr in Tausenden zählte, wie noch auf der letzten Deutschland-Tour von Hüsker Dü. Auch diesmal verlieren sich nur wenige im Loft, und nie werde ich verstehen, wohin all die Hüsker-Dü- Fans verschwunden sind.
Dick und fett steht er da auf der Bühne, aber er hat immer noch die schmierigst-liebenswerteste Grinse, die sich denken läßt. So unbeholfen mit der viel zu kleinen Gitarre um den Hals, daß jede Mutter den Dackelblick anlegen würde. Wie ein Eisbär auf Sommerurlaub tapst er nicht einmal, schreitet eher angestrengt mal hier- mal dorthin, als würde er sich wundern, wo all die Eisschollen denn nur geblieben sind.
Der große Gitarrist war er noch nie. Das hat sich in den letzten Jahren auch nur leidlich gebessert. Wäre er nur bei seinen Trommeln geblieben, denn keiner sonst konnte so melodiös, so gänzlich unangestrengt einen Rockbeat schlagen.
Normalerweise ist für diesen Fall ein guter Mixer da, der die Gitarre dahin mischt, wo sie hingehört: in den Hintergrund. Und dafür Bassist Tom Merkl nach vorne zerrt, der die rhythmische Last auch allein zu tragen vermag, wenn man ihn lassen würde.
Das Schlagzeug solide, aber das alles ist eigentlich auch egal, denn das alles Entscheidende ist seine Stimme, diese manchmal rauhen, manchmal kindlichen Stimmbänder, die aber immer eine unglaubliche Wärme und Intimität ausstrahlen können. Diese Stimme, die seinen Songs, und da kann die Musik noch so hart sein, eine zwar zurückhaltende, aber ungebremste Freundlichkeit gibt. Er ist ein guter Mensch, wir sind gute Menschen, denkt man und glaubt es gerne.
Aber heute scheint es so, als hätte Grant Hart schlechte Laune, und anstatt die atmosphärischen Möglichkeiten seines Gesangs auszunutzen, versucht er die eingeschränkten Möglichkeiten seiner Gitarrenkunst durch Lautstärke zu ersetzen. Die besten Momente sind dann auch die, wenn Nova Mob ganz leise werden: Bei Admiral Of The Sea und dem alten Hüsker-Klassiker Pink Turns To Blue. Aber noch lebt er ja, das zu überprüfen waren wir da. Und es gibt ein nächstes Jahr, und dann kann er vielleicht endlich Gitarre spielen. Thomas Winkler
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