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Hohe Truppenkontingente am Rande Europas

■ Bei den VKSE-Verhandlungen wurden die Obergrenzen für Truppen in Mitteleuropa herabgesetzt, in Krisengebieten bleiben sie hoch

Wien (dpa/ap) — Das Vertragspaket zur Begrenzung der konventionellen Rüstung und der Mannschaftsstärken, über das die Nato- Länder und die Staaten des mittlerweile aufgelösten Warschauer Paktes jahrelang in Wien verhandelt hatten, ist geschnürt. Jetzt sollen nach Möglichkeit auch die anderen europäischen Staaten in die Regelungen einbezogen werden. Dies berichtete der deutsche Delegationsleiter bei den Wiener Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa (VKSE), Rüdiger Hartmann.

Am Vortag hatten sich 24 der insgesamt 29 Verhandlungspartner auf den Entwurf eines Vertrages über die Personalstärken ihrer Land- und Luftstreitkräfte geeinigt. Mit der Zustimmung der anderen Länder — sämtlich Nachfolgestaaten der UdSSR — wird gerechnet. Der Vertrag soll beim KSZE-Gipfel in Helsinki am 9. oder 10. Juli unterzeichnet werden. Er ergänzt den 1990 in Paris abgeschlossenen Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag), der Obergrenzen für Panzer, Artillerie, Kampfflugzeuge und andere schwere Waffen vorsieht.

Während den Ländern Mitteleuropas, in denen zu Zeiten des Ost- West-Konflikts die meisten Truppen konzentriert waren, durch den Vertrag starke Begrenzungen auferlegt wurden, sind die Obergrenzen für die Türkei, Spanien und Portugal relativ hoch angesetzt. Dies spiegelt nach Angaben Hartmanns die Verlagerung von potentiellen Krisen an den Rand Europas und darüber hinaus wider. Er nannte die Stichworte Naher Osten und Nordafrika. Spanien etwa habe eine Obergrenze von 300.000 Mann angegeben, obwohl die Ist-Stärke nur bei 175.000 liege.

Die Zahlen für Mitteleuropa reflektierten die seit dem Kalten Krieg erreichte militärische Stabilität. Deutschland hatte sich bereits im Rahmen der Wiedervereinigung auf eine Reduzierung seiner Streitkräfte und eine Begrenzung auf 370.000 Mann verpflichtet, davon 345.000 bei den Land- und Luftstreitkräften. Die USA, die künftig weniger als 100.000 Mann in Europa stationieren werden, haben sich auf alle Fälle eine Obergrenze von 250.000 Mann vorbehalten. Rußland beansprucht eine Personalstärke von 1,45 Millionen Mann für seine Land- und Luftstreitkräfte. Im vergangenen Jahr war für die gesamte UdSSR ein Stand von 2,2 Millionen Mann angegeben worden. Nach Rußland reklamieren die Türkei (530.000) und die Ukraine (450.000) die höchsten Mannschaftsstärken für sich. Keine Zahlen gibt es bislang von Armenien, Aserbaidschan, Georgien und Moldawien. Mitte September wird nach Angaben Hartmanns in Wien voraussichtlich „ein neuer Akt der Abrüstung“ beginnen. Geplant sei ein europäisches Sicherheitsforum für Kooperation und Abrüstung. Außerdem soll der Bereich Krisenverhütung und Krisenmanagement verstärkt werden, für den es in Wien bereits das Konfliktverhütungszentrum gibt. Auf der Ebene der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) sollen auch die restlichen 23 Staaten, die keinem der militärischen Blöcke angehörten, an die erreichten Regelungen herangeführt werden.

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