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Nur der Waffenhandel floriert

Die Geschäftsinhaber stellen nach der Revolte von Los Angeles massive finanzielle Forderungen  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Nach jeder Katastrophe gibt es Gewinner. In Los Angeles sind es nach dem Aufstand die „National Rifle Association“ (NRA) und die Waffenläden, die für den Monat Mai einen Rekordumsatz verzeichnet haben.

Die NRA, politischer Garant für das Grundrecht auf Waffenbesitz, hatte in den ersten zwei Wochen täglich tausend neue Mitglieder aufgenommen. Die Verkaufszahlen für Schußwaffen stiegen um 30 Prozent. Allerdings tragen die Profite der Händler und Besitzer der Läden mit so klangvollen Namen wie „Guns' Heaven“ nicht dazu bei, die ökonomische Infrastruktur wiederaufzubauen, die in jenen Tagen und Nächten des 29. und 30. April zum großen Teil in Schutt und Asche gelegt wurde.

US-amerikanische Versicherungsunternehmen haben die Revolte von Los Angeles zum fünftgrößten Desaster der US-Industriegeschichte erklärt. Spitzenreiter in dieser Hitparade der Apokalypsen ist Hurrikan „Hugo“, der 1989 Schäden im (Versicherungs-)Wert von 4,2 Milliarden Dollar anrichtete, gefolgt von anderen Naturkatastrophen wie Waldbränden, Erdbeben und Winterstürmen.

Auf 775 Millionen Dollar hat die „American Insurance Services Group“ den Schaden in Los Angeles für ihre Branche beziffert. Tatsächlich dürfte die Summe jedoch bei über einer Milliarde Dollar liegen: Die meisten der betroffenen Ladenbesitzer waren entweder gar nicht oder unterversichert. Das liegt daran, daß Versicherungsunternehmen sich zunehmend weigern, für Bewohner oder Geschäftsleute in Vierteln mit hohem schwarzen oder hispanischen Bevölkerungsanteil überhaupt Verträge abzuschließen — wegen „zu hohen Risikos“.

Washington hat bislang insgesamt 640 Millionen Dollar an unmittelbarer Hilfe für die Opfer zur Verfügung gestellt — davon 300 Millionen an Krediten für Kleinunternehmen, 100 Millionen Dollar für Mieter oder Hausbesitzer, deren Wohnungen zerstört oder beschädigt wurden, sowie 200 Millionen für den Wiederaufbau öffentlicher Gebäude.

Das klingt nur auf den ersten Blick beeindruckend: Das Problem dieser Direkthilfe ist nicht so sehr die Höhe der Summe, sondern vielmehr, daß sie alles andere als direkt ist. Die Bearbeitung von Anträgen nimmt Wochen und Monate in Anspruch. Darüber hinaus haben Erfahrungen in anderen Städten gezeigt, daß ein zinsgünstiger Kredit allein kaum einen Kleinunternehmer dazu bewegen kann, so zu tun, als sei nichts geschehen und seinen geplünderten Laden an derselben Ecke wiederaufzubauen.

Als 1989 in Miami nach einer Revolte ganze Häuserblocks im vorwiegend von Schwarzen bewohnten Viertel Liberty City zerstört wurden, zahlte Washington über die „Small Business Administration“ (SBA) 70 Millionen Dollar an Krediten für betroffene Geschäftsinhaber. Doch bis heute stehen 75 Prozent der Ladenfläche in Liberty City leer. Die Besitzer nahmen das Geld und bauten sich anderswo eine neue Existenz auf.

So stellen nun vor allem die nichtschwarzen Geschäftsinhaber in Los Angeles massive Forderungen. Die „CAALARVA“, eine Koalition von Geschäftsleuten asiatischer Abstammung, die unter anderem die Besitzer und Pächter der über 2.000 zerstörten koreanischen Geschäfte repräsentiert, fordert nicht nur günstige Kredite, sondern auch Steuererleichterungen für den Neuanfang sowie Entschädigung für den erlittenen Verdienstausfall. „Sie müssen uns auf Knien bitten hierzubleiben“, sagt der CAALARVA-Vorsitzende Joseph Kung.

Der gebürtige Taiwanese besaß bis zur Revolte zwei „Mini-Malls“: Mini-Einkaufszentren, von denen nur noch die Neonreklamesäule übriggeblieben ist. Kung geht es bei seinen Forderungen an die Bundesregierung in Washington und an den kalifornischen Staat jedoch nicht nur ums Geld. Er will darüber hinaus ein Signal von den Politikern, daß sie die Probleme der Großstädte ernst nehmen.

Das ist bislang jedoch ausgeblieben. Kalifornien ist praktisch pleite. Die Politiker erwägen, den öffentlichen Sektor — besonders im Sozial- und Bildungsbereich — praktisch abzuschaffen. Los Angeles kann sich aus eigener Kraft nicht aus dem Sumpf ziehen — im Gegenteil: In den vergangenen drei Jahren hat die Stadt rund 100.000 Arbeitsplätze im Produktionsbereich verloren; die Arbeitslosenquote liegt mittlerweile bei 8,4 Prozent; rund 20 Prozent der 16- bis 19jährigen haben die Schule abgebrochen und sind arbeitslos. Zudem mußte Los Angeles seit 1982 einen Zuwachs von 750.000 Immigranten verkraften. Einwanderer aus Mittel- und Lateinamerika sowie Asien stellen inzwischen 40 Prozent der Bevölkerung. Jährlich müssen 15.000 neue Schüler in bereits überfüllten Klassen untergebracht werden.

Während die Stadt und ihre Probleme immer größer wurden, schränkten die US-Regierungen unter Ronald Reagan und George Bush die Haushaltszuschüsse für Großstädte immer weiter ein. Betrugen sie 1981 noch 37,3 Milliarden Dollar, sind für das Budget 1993 ganze 13,1 Milliarden Dollar veranschlagt. Viele Firmen wanderten — ebenso wie die weiße Ober- und Mittelschicht — in die Vororte ab. In vielen Großstädten kamen zwar schwarze Bürgermeister an die Macht, doch die katastrophale Haushaltslage engte ihren politischen Spielraum stark ein.

Zwei Wochen nach dem Aufstand von Los Angeles forderte die „US- Konferenz der Bürgermeister“ auf einer Kundgebung in Washington ein Hilfspaket in Höhe von 35 Milliarden Dollar. In der vergangenen Woche genehmigten der US-Kongreß und Präsident Bush schließlich 1,3 Milliarden Dollar — darunter 500 Millionen Dollar, um Sommerjobs für Jugendliche in 75 Städten zu finanzieren. Ohne die Revolte in der kalifornischen Metropole hätte es noch nicht einmal das gegeben. Ein zweites Hilfspaket steht in Aussicht. Zwischen 2,5 und fünf Milliarden Dollar wollen Republikaner und Demokraten in das neue Lieblingsprojekt der Bush-Regierung stecken: „Enterprise Zones“. Das sind Gebiete, in denen Unternehmen Steuer- und Investitionsanreize geboten werden.

Die Erfolge dieser Enterprise Zones, die es schon seit einigen Jahren in anderen Städten wie Miami oder Baltimore gibt, sind bescheiden. Die Stadtverwaltungen können nämlich kaum etwas zur Verbesserung der Infrastruktur beitragen. Das erwarten jedoch größere Firmen, bevor sie irgendwelche Arbeitsplätze schaffen. Darüber hinaus stellen Firmen mit überwiegend weißem Management weiterhin nur widerstrebend Angehörige ethnischer Minderheiten ein. Eine Studie des „Fair Employment Council“ in Washington vom Mai dieses Jahres ergab, daß in fast 500 Fällen allein der hispanisch klingende Nachname oder der afroamerikanische Akzent genügte, um abgewimmelt zu werden. Der weiße Bewerber hingegen wurde in der Regel zum Vorstellungsgespräch eingeladen — selbst dann, wenn seine Qualifikationen schlechter waren.

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