„Die Schmerzlichkeit des Verzichts“

Die sozialdemokratischen Ministerinnen im Kabinett Eichel ziehen Bilanz/ Seitenhieb auf den grünen Minister  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) — So richtige „Chauvinisten“ gibt es im paritätisch besetzten Kabinett des sanften Hans Eichel (SPD) eigentlich nicht (mehr). Und wenn es noch welche geben sollte, „dann sind die kräftig am üben“, sagte die hessische Ministerin für Frauen und Arbeit, Heide Pfarr, und lächelte dabei überzeugend. Das wollte die Vorsitzende der südhessischen SPD und Bundestagsabgeordnete Heidi Wieczorek-Zeul, die alle sozialdemokratischen Ministerinnen in der Landesregierung zur Frauenpower-Bilanzpressekonferenz in den Landtag geladen hatte, dann so doch nicht stehen lassen: „Zum grünen Koalitionspartner sagen wir hier nichts.“ Der Pressereferent von Umweltminister Fischer, Georg Dick, fixierte da gelangweilt seine Seidenkrawatte. Schließlich bellen nur getroffene Hunde.

Daß die fünf Frauen in den zurückliegenen vierzehn Monaten Regierungsarbeit das Klima in der Staatskanzlei und in allen Ministerien nachhaltig beeinflußt haben, ist für die vier SPD-Ministerinnen — die grüne Sozialministerin Iris Blaul ist im Urlaub — schlicht eine Tatsache. Und aus den „kleinen und großen politischen Erfolgen“ und der „wechselseitigen Akzeptanz im Kabinett“, so Finanzministerin Annette Fugmann- Heesing, schöpft die Frauenriege die Zuversicht, in den kommenden Jahren an der Macht einer „sozial-ökologischen Frauenpolitik“ (Wieczorek-Zeul) zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Bilanz der Ministerinnen kann sich sehen lassen: So hat sich etwa Frauenministerin Pfarr bei ihren KabinettskollegInnen ein „Mitzeichnungsrecht“ in allen frauenpolitischen Angelegenheiten erkämpft. Im neuen hessischen Personalvertretungsgesetz wurde eine stärkere Repräsentanz von Frauen in den Personalräten gesichert. Und mit der Novellierung der hessischen Gemeindeordnung wurde erstmals der Verfassungsgrundsatz der Gleichberechtigung als Pflichtaufgabe festgeschrieben. Finanzministerin Fugmann-Heesing fördert den Wiedereinstieg von Frauen nach der Kindererziehung. Und Justizministerin Hohmann-Dennhardt hat sich dafür eingesetzt, daß Richterinnen und Staatsanwältinnen neue Weiterqualifikationsmöglichkeiten eröffnet werden. Für Wissenschaftsministerin Evelies Mayer ist die Frauenforschung an den Hochschulen das „Topthema“.

Den Preis, den die Frauen in der Landesregierung, die sich schon einmal ohne die Eichel/Fischer-Männerriege zum „gemeinsamen Essen“ treffen, für ihr Engagement über das übliche „Polithandeling“ hinaus zu zahlen haben, entspricht dem, den auch andere Frauen in Spitzenpositionen zahlen müssen. „Die Schmerzlichkeit des weitgehenden Verzichts auf ein ausgeglichenes Familienleben ist nicht geringer geworden“, sagt Frauenministerin Pfarr. Annette Fugmann-Heesing fällt es „sehr schwer, die Anforderungen des Amtes mit den Anforderungen, die sich aus der Tatsache ergeben, daß ich zwei Kinder habe, in Einklang zu bringen“. Einig sind sich alle Ministerinnen in der Einschätzung, daß die Öffentlichkeit — und insbesondere die Medien — von Frauen in Regierungsverantwortung eigentlich „das Unmögliche“ verlangen würden: „Wir sollen so sein, wie die Männer — aber doch etwas anders.“ Und Fugmann-Heesing stellt fest, daß die Medien bei „neuen Frauen“ in den Regierungen immer zuerst die Frage aufwerfen würden, ob eine Frau den Anforderungen eines solchen Amtes überhaupt gewachsen sei. Bei „neuen Männern“ interessiere dagegen zunächst immer die politische Vita.

Die Etablierung emanzipatorischen Bewußtseins in allen Köpfen sei halt ein „zäher Prozeß“, meinte Heide Pfarr. Im Hof des Landtags hatten da schon die Fahrerinnen der Ministerinnen die Motoren der Daimler und BMWs angeworfen. Frauen müssen nämlich auch schneller sein, als ihre Ministerkollegen in den Opels.