: Urdrü's wahre Kolumne: Bibel statt Feudel
Warnung an alle, die um Hausgesinde verlegen sind oder nach Hilfe zum Großreinemachen suchen: Ein junger Mann mit einer in die Neustadt weisenden Telefonnummer bietet über die Schwarzen Bretter von Supermärkten und Waschsalons an „Bringe Ordnung in Ihr Haus — ohne Kosten!“ Der Helfer kommt dann aber nicht mit Feudel und Eimer, sondern mit Bibeln und Traktaten. Der Schmutz auf Dielen, Kacheln und Herdplatte läßt ihn gänzlich ungerührt. Ein seltsamer Heiliger...
Die Bundeswehr schmeißt Schwule raus, und das Bundesverwaltungsgericht in Berlin erklärte dies nunmehr für rechtens. Geschieht den Kerls und Tunten in Uniform ganz recht: Schließlich predigen die einschlägigen Veteranenclubs Versöhnung über Gräbern und nicht Verbrüderung im Feldbett. Wer aber nur mal aus Versehen dem Kameraden in der Gefechtspause an die Wäsche geht, den strafen die Richter milde: „Bei einer Abirrung der Triebrichtung unter enthemmendem Alkoholeinfluß reicht auch schon die Degradierung des Soldaten.“
Daß Volker Junck als Viertel-Schreiber des Weserkuriers seine berufliche Laufbahn als Panzerfahrer bei der NVA begann, mögen ihm Freya Klier oder verbiesterte Nato-Generale vorhalten. Wenn er aber wieder mal dem Schnarren des publizistischen Offizierscasino-Tons anheimfällt, möge man ihm doch den Griffel aus der Hand winden. In einem Beitrag über die Drogenprobleme am Weberstraßen- Park formuliert „vj“ sensibel:“Anschließend versammeln sich dort täglich rund 5O Abhängige zu ihren Druck-Partys“.Der Junkie als Party-Löwe und der Journalist als amüsierter Jäger. Heia Safari!
Im Wörterbuch des Unmenschen bediente sich auch Bürgermeister Klaus Wedemeier, wenn man einem Beitrag des Senatspressedienstes glauben darf: „Wiederverwendung Mayer-Schwinkendorfs im Interesse der Allgemeinheit.“ Ganz auf der Linie des senatorischen Abfall-Programms. Wenn man erst an die möglicherweise freiwerdenden Schadstoffe auf den Staatsrats-Deponien denkt, könnte einem ganz schummrig werden.
Blumen lieben Sex und schreiben Gedichte. Kann man jetzt der Neuerscheinung „Der Ruf der Rose“ entnehmen. Die Autoren Dagny und Imre Kerner wissen zum Beispiel, daß es in aktiven Schlafzimmern nie kranke Pflanzen gibt. Ein Schwarzwäder Kirschbaum soll gar Gedichte schreiben können wie „Am Berge ein Wind / im Lichte das Kind.“ Vermutlich ist Walter Kempowski eine mecklenburgische Backpflaume mit ungebremster Lust am Schwadronieren und Peter Kudella eine weitausholende Trauerweide.
Daß Deutschland bei 32 Grad im Schatten stöhnt wie Monica Seles — das sollten nicht nur LeserInnen von BILD-Schlagzeilen wissen. Jetzt endlich ist es raus: Gerd bringt das Kind zum Schnauben! Eine Putzfrau aus Walle gewann in dieser Woche zwei Millionen Mark bei der Fernsehlotterie, die 5. Herrenmannschaft des ESV Blau-Weiß sicherte sich mit großem Vorsprung die Meisterschaft der 8.Kreisklasse und wird künftig eine Klasse höher um den Sieg kämpfen. Libero Jörg Wischhusen verlor bei der Aufstiegsfeier ein 5-Mark-Stück und fand beim Bücken danach einen 2O Mark-Schein? Ja, ist denn die Welt wirklich so schlecht, daß sie sich über solche guten Nachrichten gar nicht freut? Weiterhin an die Kraft des Schönen, Wahren, Guten glaubt jedenfalls Ihr
Ulrich Reineking-Drügemöller
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