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Ost-Berlins MieterInnen machen mobil

■ MieterInnen aus Prenzlauer Berg organisieren Demo gegen die geplanten Mieterhöhungen im Osten/ Kritik an lahmen Mieterverbänden/ StudentInnen mit Bafög bleiben rund 250 Mark zum Leben

Prenzlauer Berg. MieterInnen aus dem Prenzlauer Berg wollen die geplante zweite Mieterhöhung für Ostdeutschland in letzter Minute zu Fall bringen. »Wir können mit unseren Ost-Löhnen, Ost-Renten, Ost-Arbeitslosen- und ABM-Geldern keine West-Mieten bezahlen«, heißt es im Aufruf zur Demonstration am kommenden Mittwoch um 18 Uhr vor dem Roten Rathaus. Der Berliner Senat wird aufgefordert, bei der Bundesratsabstimmung am 10. Juli gegen die »unsozialen« Mieterhöhungspläne zu stimmen.

Weil die Mieterverbände so lange geschlafen hätten, habe man den Widerstand selbst in die Hand genommen, erklärte Mietersprecher Bernd Holtfreter gegenüber der taz. Die Demo-Idee kam letzten Mittwoch auf einer Bürgerversammlung in der Eliasgemeinde in Prenzlauer Berg auf, an der rund 200 Leute teilgenommen hatten.

Beim Engagement der Prenzelberger Mieter können langjährige Politarbeiter aus dem Westteil nur staunen. In der Vorbereitungsgruppe trafen sich über sechzig Leute, selbst die Flugblätter wurden begeistert verteilt. Mittlerweile wird die Demo auch von der Mietergemeinschaft und dem Mieterverein unterstützt sowie von den Fraktionen Bündnis 90/Grüne und PDS, den Jusos und den IG Medien. »Die Mieterhöhungen gehen uns Ostberlinern an die Substanz«, erklärt sich Holtfreter die große Resonanz. Auch die Seniorenvereinigung »Herbstlaube«, der »Verband der Vorruheständler« und der »Verein der Gewerbetreibenden Prenzlauer Berg« hätten deshalb ihren Namen unter den Aufruf gesetzt.

Nach den Plänen von Bundesbauministerin Schwaetzer müssen ostdeutsche MieterInnen ab 1.1.93 mit einer verdoppelten Grundmiete rechnen. »Die Einkommensentwicklung hat sich nicht annähernd so entwickelt«, kritisierte Ulf Heitmann von der Bürgerberatungsgesellschaft IBIS. Mietersprecherin Petra Wolf bemängelte, daß die geplanten Mieterhöhungen wieder nicht an eine Zweckbindung zur Instandsetzung gekoppelt seien. Auch das Wohngeld könne die sozialen Belastungen der Mieter im Osten nicht auffangen, sagte Wolf: »Niemand weiß schließlich, wann die Sonderregelungen für den Osten wieder abgeschafft werden.«

Von den Mieterhöhungen besonders betroffen sind Studenten, die laut Gesetz kein Wohngeld erhalten dürfen. »Die Miete für meine 1-Raum-Wohnung steigt am 1. Januar von 275 auf 420 Mark«, klagt der TU-Student Robert Kludt. »Auch Wessis gehören mittelfristig zu den Leidtragenden«, ermuntert Petra Wolf auch die Charlottenburger und Kreuzberger, an der Demo vor dem Roten Rathaus teilzunehmen. Mit der erwarteten Durchschnittsmiete von 9 Mark pro Quadratmeter in Prenzlauer Berg würde der bislang nur für West-Berlin geltende Mietspiegel übertroffen, errechnete Wolf. Nach der Erstellung eines Gesamtberliner Mietspiegels könnten die Ost-Mieten dann als Begründung für Mieterhöhungen im Westen herhalten. Micha Schulze

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