: Young Indys Lehrjahre
Filmfest München Proudly Presents: Indiana Jones' Kindheit in einer Endlos-TV-Serie ■ Von Christiane Peitz
„1,5 Millionen Dollar pro Folge“, sagt George Lucas auf dem Podium. „Und von uns wollten sie eine Million für die Rechte haben“, flüstert der Mann neben mir. Er sei vom ZDF, erklärt er, und auch ihnen seien Die Abenteuer des jungen Indiana Jones angeboten worden. Aber 17 Millionen für die ersten 17 Folgen hätten sie nicht aufbringen können. Im übrigen sei die vielgelobte Zusammenarbeit zwischen Lucasfilm, der KirchGruppe und Sat.1 reines PR-Gerede: Auch die Konkurrenz habe lediglich nachträglich für die Rechte gezahlt. Da auch noch vier andere europäische Sender mit Lucas „zusammengearbeitet“ haben, kann man sich unschwer ausrechnen, welchen Gewinn Lucasfilm allein mittels Auslandsverwertung einstreichen wird.
Es ist immer so bei diesen Pressenkonferenzen: Die Wahrheit erfährt man bestenfalls backstage, als Gerücht, gestreut von der Konkurrenz. Als die TV-Serie über die Lehr- und Wanderjahre von Young Indy am Mittwoch im Rahmen des Münchner Filmfestivals von George Lucas persönlich vorgestellt wurde, war von Profit jedenfalls nicht die Rede. Um so mehr von anderen Superlativen: Die Indiana Jones Chronicles seien die aufwendigste TV-Serien-Produktion der Gegenwart, beteuerten Vertreter von KirchGruppe und Sat.1. 17 Folgen sind sendefertig, weitere 15 in Arbeit, und für die dritte 15teilige Staffel sitzt Lucas zur Zeit am Script. Gedreht wurde an Originalschauplätzen in elf Ländern, von Afrika über Petersburg bis China; jede Folge der euro-amerikanischen Koproduktion wurde von einem anderen namhaften Regisseur realisiert, entsprechend unterschiedlich fallen sie aus: Wöchentlich ein neues Genre, inszeniert von Terry Jones, Nicolas Roeg, Bille August, Vic Armstrong, einem Ungar, einem Argentinier, einer Inderin...
Old Indy (George Hall), 92 Jahre alt, mittlerweile ohne Nilpferdpeitsche, aber Dank seines Schlucks aus dem Heiligen Gral bei bester Gesundheit, erinnert sich. An die Ägyptenreise des Zehnjährigen zum Beispiel; Lawrence von Arabien persönlich lief ihm damals über den Weg und forderte den Jungen auf, er solle gefälligst Sprachen lernen, wegen der Völkerverständigung. Der junge Indiana treibt sich in der mexikanischen Revolution und bei den Bolschewisten in Rußland rum, trifft Sigmund Freud (Max von Sydow), Winston Churchhill, Pablo Picasso, dem Presseheft zufolge verliebt er sich sogar in Mata Hari. Ob Ökologie, Kulturgeschichte oder Frauenwahlrecht — kein Thema fehlt.
Lucas' erste Fernseharbeit ist nichts für Harrison-Ford-Freaks. Indie ist fünf, zehn oder 18 Jahre alt und wird diesmal weniger in Kampfszenen verwickelt als mit den großen Fragen der Menschheit konfrontiert. „Ich dachte mehr an Huckleberry Finn“, sagt Lucas und unterstreicht in München seine pädagogische Absicht. Qua Identifikation mit dem Kino-Idol sollen die TV-Kids zum Lesen und Studieren angeregt werden. Lernziel: Alle Menschen sind Brüder. Die TV-Serie als bebildertes Schülerlexikon, ein Toleranzedikt für Anfänger — hierzulande startet die Serie pünktlich zu Weihnachten.
So erteilt etwa die Ostafrika-Episode, die in München vorab zu sehen war, mit Hilfe von musikalisch untermalten Großaufnahmen von hübschen schwarzen Kindern eine Lektion in Sachen Rassismus. Mitten im Krieg (1916/17) rettet Albert Schweitzer Young Indy vor dem Gelbfieber, spielt Bach auf dem Piano und lehrt den Teenie den Respekt vor jeglicher Kreatur. Da wird im Graben über die Sinnlosigkeit des Krieges räsonniert, der schwarze belgische Sergeant (Isaach de Bankolé) klagt das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein, und die Flora und Fauna des Dschungels illustrieren die Hymnen Schweitzers auf das Leben. Parallel dazu klärt Old Indie in einem US-Krankenhaus einen bornierten Redneck über die Gleichberechtigung der Schwarzen auf.
Nichts gegen Lucas' Ansinnen, bei den an Ausbildung und sozialem Lernen unterversorgten US-Kids die Lust auf Wissen zu wecken. Unbehaglich ist dabei allerdings der Gedanke, daß dieser Rechnung dieselbe Überzeugung von der Macht der TV- Bilder aufs Publikum zugrundeliegt, die in den USA auch die Zensur befördert. Gegen die reale Diskriminierung der Schwarzen in den USA werden die schönen Worte Albert Schweitzers kaum etwas ausrichten können. So wenig wie Spike Lee für die Riots in Los Angeles verantwortlich ist (was ihm von Konservativen unterstellt wurde), so wenig werden Indys Kongo-Erfahrungen den nächsten Aufstand verhindern können.
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