Dürres Deutschland

■ Der wärmste Frühsommer seit 1847 ruft nach Erklärungen

Dürres Deutschland Der wärmste Frühsommer seit 1847 ruft nach Erklärungen

Der trockenste Sommer seit 145 Jahren im Norden und Osten Deutschlands. Versteppte Weiden, murmelgroße Kartoffeln, mickerndes Korn, brüllendes Vieh und suizidale Bauern. Sieben Wochen „schönes Wetter“: Das treibt den Schweiß auf die Stirn und die Wetterämter zu abenteuerlichen Erklärungen. Da wird mit Azorenhochs und Biscaya-Tiefs samt Störungsausläufern an Süd- und Nordflanken jongliert, mit Gewitterfronten und verschobenen metereologischen Grundkonstellationen. Doch die Zuschauer in ihrem viel zu heißen Wohnzimmer interessiert schon lange nur noch eines: Ist das schon die Klimakatastrophe, oder ist sie es noch nicht? Eine präzise Antwort auf diese Frage kann niemand geben. Was an dieser ungewöhnlichen Hitzewelle menschengemachter Treibhauseffekt und was noch natürliche Schwankungsbreite des Wetters ist, läßt sich nicht auseinanderdividieren. Dennoch sollte man sich nicht mit der Binsenweisheit zufriedengeben, daß es Dürreperioden schon immer gegeben habe. Die Häufung der Wetterextreme in den letzten Jahren ist augenfällig. Der Blick aufs globale Fieberthermometer zeigt, daß die vier wärmsten Jahre dieses Jahrhunderts alle im vergangenen Jahrzehnt lagen. Für unsere Breiten können wir zudem feststellen, daß vier der fünf letzten Winter extrem warm und die letzten drei Sommer sehr heiß und trocken waren.

Sicher ist: Der durch menschliche Eingriffe verschärfte Treibhauseffekt ist da, und er ist wirksam. Er treibt die Temperaturen nach oben, und er begünstigt Wetterextreme. Und er wird durch die Industrienationen in jedem Jahr weiter angeheizt. Ob er für diese oder jene Katastrophe ursächlich verantwortlich ist — diese Frage wird sich immer wieder stellen. Wenn wir warten, bis wir sie wissenschaftlich exakt beantworten können, sind wir längst vertrocknet wie die Frösche auf den märkischen Fluren. Deshalb ist es legitim und im Sinne einer präventiven Betrachtung sogar notwendig, Wetterextreme wie die gegenwärtige Hitze direkt mit dem Treibhauseffekt in Verbindung zu bringen. Beruhigend an der gegenwärtigen Dürre ist, daß die reichen EG-Länder Deutschland und Dänemark die Hauptbetroffenen sind. Lester Brown von „Worldwatch“ hatte schon im vergangenen Jahr gesagt, daß eine große Trockenheit bei den reichen Industrienationen — etwa im Weizengürtel der USA — noch am ehesten Bewegung in die Klimapolitik bringen könnte. Merke: Umweltbedrohungen werden erst dann ernst genommen, wenn sie bereits spürbar sind. Insofern hat die Dauerhitze auch ihr Gutes. Sie ist eine kleine Vorwarnung an die Adresse jener Intelligenzbestien, die glauben, daß uns „ein bißchen mehr Wärme nichts schaden“ könne. Und der „politischen Klasse“ wird die Hitze spätestens dann in den Kopf steigen, wenn die Bauern-Mafia mit millionenschweren Forderungen auf der Matte steht. Manfred Kriener