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Die Bastion des Antifaschismus: Abgeschmackte Methode ohne Inhalt

■ Betr.: Debattenbeitrag von Heinz-Gerd Hoffschen in der taz Bremen vom 13.6.1992

Im Denkgebäude des Historikers Heinz-Gerd Hofschen fällt das Fehlen tragender Teile auf. Man vermißt z.B. die Erklärung dafür,warum sich in den erzkapitalistischen Staaten wie England und USA (auch Frankreich) der Faschismus Italiens oder der deutsche Natinal-Sozialismus nicht entwickeln konnte. Die westeuropäischen Formen des Totalitarismus setzen sich allein in den „verspäteten Nationen“ Italien und Deutschland durch.

Vom infamen Vorwurf des Sozialfaschismus über die Gleichschaltung der mittel-osteuropäischen Staaten nach 1945, Berlin 1953, Budapest 1956, Prag 1968, Warschau 1980 bis zum Afganistan-Krieg: der sowjet-russische Imperialismus findet bei Hofschen nicht statt. Der Archipel Gulag möchte ein literarisches Phänomen bleiben. Die neuen französichen Philosophen wrden gescheut wie der Teufel das Weihwasser. Wem nach der Niederschlagung des Prager Frühlings noch viele Jahre lang nur salbungsvolles zum real existirenden Sozialismus als der überlegenen Geselschaftsform einfiel, hätte heute aller Anlaß zur Trauerarbeit — Abschied von Gestern.

Stattdessen erleben wir zunehmend diesen operettenhaften Kniff des „Schwamm drüber“ des Übergangs zu einer neuen Tagesordnung ohne Vergangenheit. Aber verdrängte Gefühle verlieren bekanntlich nichts von ihrer Dynamik. Die zur Zeit durchschnittlichen Stimmergebnisse für die REPs bei den Ostberliener Bezierkswahlen als Beweis für die Immunisierung der Ossis? Zur gleichen Zeit hören vom Techtelmechtel zwischen Diestel (CDU) und Gysi (PDS), das im Ergebnis den neuen Versuch darstellen könnte, eine Ehe zwichen der nationalen und der sozialen Frage zu stiften.

In Post-Apo-Manier dämonistriert H. leichthin die Redaktion des Faz-Feuilletons als „junge Rechte“, darauf spekulierend, daß die geneigte Leserschaft der taz weder dieses Feuilleton liest, noch immun ist gegen den „einschnappenden Reflex“, den das Stigma „junge Rechte“ allemal auslöst. Eine abgeschmackte Methode, ohne inhaltliche Klarheit Meinungsmache zu betreiben. Notabene ist heute niemand mehr a' jour, der meint,auf die parallele Lektüre der Feuilleton-und Kommentarseiten der taz und der FAZ verzichten zu können.

Herbert Wulfekuhl

Leiter der Landeszentrale für politische Bildung

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