piwik no script img

Von der erhöhten Rolle der Vereinten Nationen

■ Wie es im Herbst letzten Jahres zum formalen Friedenspakt kam — und wie er aussehen soll

1991 markierte den Durchbruch zur Beilegung des seit 1977 andauernden dritten Indochinakriegs: Am 23.Oktober 1991 unterzeichneten in Paris alle direkten und indirekten Konfliktparteien drei Friedensabkommen. Die umfangreichen Pariser Verträge über Kambodscha enthalten unter anderem:

—Die Bildung eines Obersten Nationalrats (Supreme National Council, SNC) von Kambodscha, dem Vertreter der vier kambodschanischen Konfliktparteien angehören. Dies sind die regierende Kambodschanische Volkspartei unter Chea Sim und Hun Sen, die Roten Khmer unter Pol Pot und Khieu Samphan, die Republikaner unter Son Sann, und die Royalisten unter Prinz Norodom Ranariddh.

SNC-Vorsitzender ist der langjährige König und Staatschef Prinz Norodom Sihanouk. Während der Übergangsperiode bis zu freien, allgemeinen Wahlen soll der SNC als einziges legitimes Machtorgan des Landes fungieren.

—Die Einsetzung einer zivilen und militärischen „Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen in Kambodscha“ (United Nations Transitional Authority in Cambodia: UNTAC) für die Zeit bis zu freien, allgemeinen Wahlen. Die „erhöhte Rolle der Vereinten Nationen“ in Kambodscha kommt unter anderem darin zum Ausdruck, daß all jene Organe und Institutionen unter die direkte Kontrolle oder Aufsicht der UN gestellt werden, die das Ergebnis der Wahlen direkt beeinflussen könnten.

—Der Abzug aller ausländischer Streitkräfte und Berater, einschließlich ihrer Waffen und Ausrüstungen, unter Überprüfung durch die UNTAC.

—Die Zusammenziehung aller Streitkräfte der verschiedenen kambodschanischen Parteien in besonderen Sammellagern und ihre vollständige Entwaffnung unter Kontrolle und Aufsicht durch die UNTAC.

—Die Demobilisierung von mindestens 70 Prozent aller Streitkräfte der verschiedenen kambodschanischen Parteien unter UNTAC-Kontrolle.

—Freie und faire allgemeine Wahlen zu einer neuen Nationalversammlung, die die neue Regierung von Kambodscha wählen wird. Für die Organisation der Wahlen wird UNTAC verantwortlich sein.

Am Friedensprozeß beteiligt sind auch die Roten Khmer, die für den Tod von mehreren hunderttausend Menschen während ihrer Herrschaft von 1975 bis 1978 verantwortlich sind. Die Radikalkommunisten haben die Pariser Friedensabkommen unterzeichnet und sind auch im SNC vertreten. Ein Ausschluß der Roten Khmer vom Friedensprozeß, wie er auch von einigen westlichen Staaten befürwortet worden war, konnte nicht realisiert werden. Denn vor allem China verweigerte seine Zustimmung zu einer solchen Lösung, und die Roten Khmer hätten dann ihren bewaffneten Kampf verstärkt fortgesetzt. Hinzu kommt, daß ein moralisch begründeter Ausschluß der Roten Khmer von einer politischen Lösung auch die Mehrheit der Führungskader der in Phnom Penh herrschenden Kambodschanischen Volkspartei hätte betreffen müssen: Sie hatten sich nämlich erst Mitte 1978 von der Pol- Pot-Partei abgespalten und waren bis dahin an der Politik der Roten Khmer beteiligt gewesen. Peter Schier

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen