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Rauschgifthund Ricky ist arbeitslos

■ Fall der EG-Grenzen: Zollhunde erste Opfer der Gemeinschaft

Ricky ist arbeitslos. Der weiße Labrador, bis vor kurzem erfolgreicher Rauschgifthund an der deutsch-niederländischen Grenze, genießt den wohlverdienten Ruhestand. Mit dem Abbau der Zollkontrollen in Europa wird er nicht mehr gebraucht. Das gilt auch für die derzeit noch 180 Beamten an der rund 180 Kilometer langen Grenze zwischen den Niederlanden und Niedersachsen. Vom 1. Januar an werden die meisten anderswo Dienst tun. Doch eine große Schwemme von Drogen aus den Niederlanden fürchtet Hans-Dieter Dierkes, Vorsteher des Nordhorner Hauptzollamtes, nicht: „Nur weil die Grenzkontrollen wegfallen, wird ja der Abnahmemarkt nicht größer.“

Die Grenzübergänge in der Grafschaft Bentheim sind ein wichtiges Nadelöhr für die Einfuhr von Drogen aus den Niederlanden. Wenige Kilometer hinter der Grenze in Hengelo und Enschede werden in „Koffieshops“ die „weichen Drogen“ wie Haschisch und Marihuana über die Ladentheke gereicht. Die Drogen können anschließend immer leichter über die Grenze gebracht werden. Am Zollhäuschen der Autobahn Amsterdam-Berlin in Bad Bentheim würden derzeit nur noch rund zwölf Personenwagen am Tag für Stichproben angehalten, berichtet der dortige Zollbeamte Ekkehard Krüger.

Die Schmuggler werden ob dieser Tatsache immer dreister. „Die meisten verstecken das Zeug nicht mehr aufwendig, sondern legen es in einer Plastiktüte keck auf den Beifahrersitz“, sagt Krüger. Die Zollbeamten können so bei ihren Stichproben schnell zugreifen. Rund 70 Kilogramm Drogen stellten sie in den ersten sechs Monaten dieses Jahres an den Grenzübergängen des Nordhorner Hauptzollamtes — von Bad Bentheim bis Haren an der Ems — sicher. „Das sind bei weniger Kontrollen 16 Kilogramm mehr als im Vorjahrszeitraum“, resümiert Dierkes stolz.

Er stellt sich jetzt darauf ein, daß die Drogenbekämpfung des Zolls mit dem Wegfall der Grenzkontrollen umgestellt werden muß. Einige Beamte, die an der Grenze nicht mehr benötigt würden, arbeiteten dann in gemeinsamen Ermittlungsgruppen mit der Polizei. In Hannover werde das bereits erfolgreich praktiziert. Zum 1. Oktober sollen nun Zollbeamte in Oldenburg und Osnabrück zusammen mit Polizisten den Drogenverkauf in Diskotheken unterbinden.

Über den völligen Wegfall der Kontrollen ist der Bad Bentheimer Zollbeamte Krüger nicht ganz glücklich. Aus seinem Dienstzimmer schaut er auf das verwaiste Zollhäuschen an der alten Bundesstraße gleich neben der Autobahn. „Was da alles durchgeht“, seufzt Krüger, „da sträuben sich schon die Nackenhaare eines pflichtbewußten Zollbeamten“.

Rolf Lampe / dpa

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