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Aus „Pennern“ werden Nachbarn

■ Neue Obdachlosenunterkunft in der Vahr: Vorurteile bauen sich ab

Als der Elektromonteur Bernd H. im vergangenen Februar von einem Besuch bei seinen Eltern in Thüringen nach Bremen zurückkehrte, stellten die Vermieter ihn vor vollendete Tatsachen: Entweder 100 Mark mehr Miete, oder er könne sich eine neue Bleibe suchen. „Das lasse ich mir nicht bieten,“ beschloß der 27jährige und weigerte sich zu zahlen. Schließlich seien 580 Mark für ein zehn Quadratmeter großes, möbliertes Zimmer zur Untermiete mehr als genug.

Doch ohne offiziellen Mietvertrag konnten die Vermieter den entrüsteten Neubremer einfach von heute auf morgen auf die Straße. „Nach einer kalten Februarnacht in einem Hauseingang wurde mir klar, wie schnell man dort verkommt,“ berichtet Bernd H. und suchte Hilfe im von der Inneren Mission betriebenen Jacobus-Haus, die ihm einen Schlafplatz in der damaligen Notunterkünften — Holzbaracken - auf dem Bahnhofsgelände zuwiesen.

Gegen den Willen der AnwohnerInnen in der Vahr wurde die Notunterkunft im Juni in die Wilhelm-Leuschner-Straße verlegt — direkt vor die Tür des Sozialamtes Ost. Dort wohnt Bernd H. heute in einem 8-Bett-Zimmer. Insgesamt leben 50 Obdachlosen in trostlosen Wohncontainern, die bei gutem Wetter zu heiß und bei schlechtem zu kalt sind.

Zuerst waren es die Kinder, die sich mit Fragen wie „Seid ihr Penner oder was?“ oder „Wovon lebt ihr denn?“ an die neuen Nachbarn herantrauten. Doch die Kinder überwanden ihre Abneigung als erste. „So haben die Kinder ihre Eltern aufgeklärt,“ sagt Bernd H. Seit die Wohnungslosen auch noch in Eigeninitiative die beiden umliegenden Spielplätze von Müll und Drogenspritzen befreit haben und sie in Ordung halten, sind die Proteste verstummt. „Zwei Mütter waren so begeistert, daß sie sogar auf ein Frühstück in unseren Container kamen“, erzählt Bernd H.

Obwohl die Container in der Vahr nur 50 Menschen ein Obdach bietet — im Gegensatz zu 80 Schlafplätzen in den vorherigen Baracken — gibt es im Augenblick keine Unterbringungsprobleme. „Die Berber sind im Sommer alle auf der Straße,“ meint Bernd H. Dadurch sei das Problem Alkohol kleiner geworden. „Zu den Alkoholikern gehöre ich ohnehin nicht,“ sagt der Neubremer, „und im Winter, wenn die Berber Schlafplätze brauchen, bin ich hoffentlich 'raus.“

Seine Ausbildung als Elektromonteur in der ehemaligen DDR ist in Westdeutschland nicht anerkannt, und so mußte Bernd H. zunächst als Hilfsarbeiter auf dem Bau seine Brötchen verdienen. Im Dezember letzten Jahres verlor er seine Stelle. Arbeits- und wohnungslos geriet er in einen Teufelskreis: Ohne Wohnung keine Arbeit, ohne Arbeit keine Wohnung. Der junge Neubremer würde am liebsten im Baubereich arbeiten und auf Montage gehen. Aber: „Wenn ich sage, daß ich obdachlos bin, bekomme ich meist gleich eine Absage,“ sagt der gelernte Elektromonteur. Nach Thüringen zieht es ihn trotzdem nicht zurück: „Dort ist die Lage auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt noch schlimmer als hier.“ Silke Mertins

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