„Eintrübung“ auf dem Arbeitsmarkt

■ Mehr Arbeitslose im Westen/ ABM-Projekte verschönern die Statistik im Osten

Nürnberg/Bonn (afp/taz) — Die Zahl der Arbeitslosen ist im Juni in Ostdeutschland erneut zurückgegangen, in Westdeutschland dagegen leicht angestiegen. In den neuen Ländern sank die Arbeitslosenzahl um knapp 26.000 auf 1,123 Millionen, teilte die Bundesanstalt für Arbeit am Dienstag in Nürnberg mit. Die Quote verringerte sich von 14,1 auf 13,8 Prozent. Im Westen waren Ende Juni 1.715 Menschen beschäftigungslos, 11.100 mehr als im Mai. Die Quote blieb unverändert bei 5,6 Prozent. Insgesamt waren in der Bundesrepublik damit 2,84 Millionen Menschen ohne Beschäftigung.

Den Anstieg im Westen erklärte der Präsident der Bundesanstalt, Heinrich Franke, vor allem mit der zu verzeichnenden „konjunkturellen Eintrübung“. Außerdem seien aufgrund des Ferienbeginns in einer Reihe von Bundesländern dämpfende Saisoneinflüsse dazugekommen. Es sei „verfrüht“, von einer Konsolidierung des Arbeitsmarktes im Osten zu sprechen. Als Gründe für den Rückgang im Osten nannte Franke vor allem das verstärkte Greifen arbeitsmarktpolitischer Instrumente wie der noch bestehenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), die jedoch radikal zusammengestrichen werden. Außerdem begännen die Ferien dort zumeist später.

Um 1,42 Millionen Menschen wurde der Arbeitsmarkt Ost durch Fördermaßnahmen entlastet. 509.000 Arbeitnehmer besuchten im Juni Fortbildungskurse, 400.000 waren in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) untergebracht. Altersübergangsgeld bezogen 511.000 Menschen und 294.000 erhielten Vorruhestandsgeld. Der Anteil der Frauen an den Arbeitslosen in Ostdeutschland stieg nochmals weiter auf 63,6 Prozent. Nur 38 Prozent der Vermittlungen der Arbeitsämter in Beschäftigungsverhältnisse von über sieben Tagen Dauer seien im Juni nicht subventioniert gewesen. Die Kurzarbeit ging binnen Monatsfrist um 19.000 auf 417.000 zurück. Franke zufolge stieg die Arbeitslosigkeit in den alten Ländern binnen Jahresfrist um knapp 123.000 oder von 5,3 auf 5,6 Prozent.

Der stellvertretende Regierungssprecher Norbert Schäfer erklärte, der Schlüssel für eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage bleibe die Verstärkung der privaten Investitionstätigkeit. Für den sozialpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Julius Louven, wurde in Nürnberg eine „erfolgreiche Halbjahresbilanz“ für ganz Deutschland gegeben. Dagegen unterstrich der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ottmar Schreiner, es gebe nach wie vor kaum ein Angebot an neuen Stellen im Osten. Entlastend wirke vor allem der massive Einsatz von ABM und anderen Instrumenten. Die SPD warne daher vor Kürzungen bei der Arbeitsförderung.

Nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) spiegeln die Juni-Zahlen „nur sehr begrenzt“ den wirklichen Beschäftigungsrückgang wider, da die Entlassungswelle zum 1. Juli nicht berücksichtigt worden sei.