: HEUTE IM SCHLACHTHOF: Anarchy light: Chumbawamba
Chumbawamba als „Crass der 90er oder „Politrocker“ zu bezeichnen, steht der Band zwar nicht unbedingt schlecht, aber beschreiben läßt sich das Musiker- Kollektiv damit noch lange nicht. Der komische Anarcho-Haufen aus dem englischen Leeds ist zu vielseitig, wechselhaft und fern von gängigen Trends für solche Vergleiche.
Die Anfänge der Gruppe finden sich in der britischen Hausbesetzerszene. Noch heute leben sieben Mitglieder der (meist) achtköpfigen Band in einem „Squat“. Inzwischen haben sie aber einen Mietvertrag, erhalten das alte Herrenhaus selbst und konzentrieren sich auf ihre Musik.
Chumbawamba haben Mitte der 80er zwei Punk-Alben herausgebracht, die sich auf ein zentrales Thema konzentrieren. „Never Mind The Ballots“ sprach sich deutlich gegen den Parlamentarismus aus, und „Pictures of Starving Children Sell Records“ nahm Live-Aid und ähnliche Benefiz-Konzerte auf's Korn. 1990 entstanden überraschend die 10“ „English Rebel- Songs-1381-1914“ mit Acapella- Versionen politischer Folk- Songs und die LP „Slap!“, die den endgültigen Ausstieg aus der Punk-Ecke markierte. „Slap! „ pendelte zwischen Jazz, Hip Hip Hop, Dancefloor und Hardcore, ohne sich an aktuelle Trends anzubiedern. Chumbawamba machen eigentlich Tanzmusik, und auch ihr neues Album „Shhh“ dokumentiert diese neue Richtung. Mittels tanzbarer Rhythmen, die vor Lebensfreude überzulaufen scheinen, sucht sich die Gruppe ein größeres Publikum für ihre politischen Aussagen. Mögen viele Punk-Bands auch eine Menge zu sagen haben, so verschwinden die Aussagen im männlich dominierten, tumben Pogo- und Stagedive-Mob vor der Bühne. Chumbawamba-Gigs bieten eine gelockerte Atmosphäre, bei denen sich auch weniger muskelstarke TänzerInnen nach vorn wagen können.
Eingepackt in mitreißende Rhythmen, nimmt sich die Band geschichtlicher Ereignisse unseres Jahrhunderts an, um sie aus anarchistischer Sicht zu beäugen. Ulrike Meinhof wird ebenso thematisiert wie das Töten von chinesischen Soldaten durch vergiftete Melonen nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. „ Mit dem neuen Album wollen die Chumbawamba noch einen draufsetzen. „Jesus H. Christ“ sollte das Werk heißen, mit Samples von Abba, den Beatles, Kylie Minogue und anderen Größen. Die Verleger der Musikmultis versagten ihre Mitarbeit, falls nicht 75% der Tantiemen in ihre Taschen fließen würden. Chumbawamba stampften die Platte kurzerhand ein und das neue Album „Shhh“ aus dem Boden. Stefan Ernsting
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen