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Im Reich der Zeichen

Robert Altmans „The Player“  ■ Von Mariam Niroumand

Vorsicht Monster: Ganz wie ein programmierter Terminator spuckt uns dieser Film permanent seinen Auftrag, sein Strickmuster ins Gesicht. AltmansThe PLayer eröffnet mit einer Filmklappe und anschließender Kamerafahrt über den Parkplatz des Hollywood-Studios, auf dem eisige Produzenten, zappelnde Drehbuchschreiber und ein trippelnder Trupp japanischer Sony-Funktionäre aufgeregt hin und herflitzen. Die beiden ineinander verwobenen Geschichten, die sich nun entspinnen, erinnern an ein Gemälde aus Thomas Pynchons PoMo-RomanThe Crying of Lot49 („Lot49“ = Kalifornien): Eine Gruppe dürrer Mädchen in einem Elfenbeinturm weben darin einen Gobelin, der durch die Fensterritzen hinaus ins Leere quillt. Verzweifelt versuchen die Mädchen, diese Leere zu füllen. Das Motiv auf dem Gobelin war die Welt.

The Player zeigt eine hybride Industrie, die permanent mit der eigenen Reproduktion beschäftigt ist. Läge da nicht ein geniales Drehbuch zugrunde, könnte man eigentlich nach den ersten zehn Minuten nach Hause gehen.

Studio-Exec Griffin Mill (wie ähnlich das Wort executive, leitender Angestellter, dem Wort executioner — Scharfrichter — ist), ein „Armani“-Arschloch, der nur europäisches Selterwasser aus speziellen Gläsern trinkt, erhält Drohpostkarten von einem Drehbuchautor, den er abblitzen ließ. Er tippt auf einen gewissen David Kahane, sucht ihn auf in einem gammeligen Kino in Pasadena, wo natürlich die Fahrraddiebe laufen (nur armes Kino ist gutes Kino) und ertränkt ihn in einer stinkenden Lache auf einem Parkplatz.

Wie in Barton Fink sind auch hier die glücklosen jüdischen Autoren eine Reminiszenz an das Hollywood der zwanziger und dreißiger Jahre, dem man nachsagte, eine jüdische Erfindung gewesen zu sein. Das macht die Juden keineswegs zu bemitleidenswerten Opfern: Bei Kahanes Beerdigung liest ein Freund mit brechender Stimme aus dem letzten angefangenen Drehbuch des Toten, ein lahmer Bukowski-Aufguß, in dem wehleidig von billigen Tapeten, alten Socken und schrillenden Weckern die Rede ist — das Premieren- Publikum schrie vor Lachen.

Trotzdem wird an Griffin Mills Stuhl gesägt: Ein noch jüngerer, noch allglatterer Haifisch namens Larry Levy droht ihn zu verdrängen, weil er so geniale Ideen hat wie die, daß man in Zukunft doch gänzlich auf Drehbuchschreiber verzichten könnte. „Wir können das doch selber. Schlag die Zeitung auf und nimm einen x-beliebigen Artikel — schon hast du die Story.“ „Oh ja“, schnarrt Mill zurück, „laß uns dann auch noch die Schauspieler und Regisseure absetzen, und wir sparen jede Menge Geld.“

Das ist genau die Vision des Players: Irgendwann wird diese Riesenmaschine von ganz alleine laufen, der Computer wird Versatzstücke und Kreuzungen aus alten Filmen immer neu zusammensetzen. Den ganzen Film über ist von diesen Clonings die Rede: Ghost meets Mantchurian Candidate, Out of Africa meets Pretty Woman, und von Hits wie The Graduate macht man einfach immer neue Folgen und Remakes — alles wird serialisiert und standardisiert. Mill hat diese Standards so im Blut, daß er schon nach einem Satz das Genre und die Twists jeder Geschichte kennt.

Wie in so vielen Filmen über Yuppies, die aus der Mittelstandsperspektive gedreht werden, wirft auch The Player den Aufsteigern ihre Künstlichkeit, Naturferne und Funktionstüchtigkeit vor. Klar, daß die Frau, die Mill anziehend findet, Kahanes Freundin (Greta Scacchi), eine Icequeen ist. Klar, daß Tom Wolfe mit seinem Yuppie-Porträt Bonfire of the Vanities genauso auftauchen muß wie Anspielungen auf Wall Street.

Washington D.C. und Hollywood werden so eins, verbinden sich aus der Perspektive von Nashville, Tennessee, zu einer supranationalen Verschwörung der maschinengesteuerten Sharks gegen die moralisch integren, nätürlichen Midwesterner, die wie Griffin Mills abservierte Freundin das Nachsehen haben. Faxgeräte, Computer-Skripts, Autotelefone, Konferenzschaltungen und Sicherheitsdienste bilden die High- Tech-Festung Hollywood, die längst vergessen hat, aus welchem Stoff die Träume sind. Überall lugt das alte Hollywood hervor, an das Altman sich anschließen möchte: Orson Welles' A Touch of Evil, John Fords Filme für den Common Man und Howard Hawks' Breitwandepen grüßen von Plakatwänden, Zeichen aus einer versunkenen Welt. Die Verwandtschaft ist ein bißchen angemaßt: Weit entfernt von Orson Welles' brillanten Raumdarstellungen hat The Player einen „Telelook“. Die Bilder sind grau, verwaschen, flach; bis auf ein paar nervöse Kameraflüge ereignet sich bildlich nicht viel. Man merkt Altman die viele Arbeit für das Fernsehen durchaus an. Verglichen mit dem Esprit von Les Amants du Pont-Neuf nimmt sich The Player aus wie Trockenkost aus der Tüte gegen eine Schale frischen Obsts.

Man soll ja auch nicht mit den Augen in Bildern herumwandern, sondern man soll Stars suchen: Hier eine Anjelica Huston, da ein Burt Reynolds, hier Andy MacDowell, da olle Harry Belafonte („sag mal Guten Tag Harry“), und hoppla: Nachdem man sich gerade an Whoopie Goldberg als Columbo-Verschnitt mit Tampons auf dem Schreibtisch gewöhnt hatte, da taucht der echte Peter Falk im Publikum auf. Dabei fungieren alle als lebende Signifikanten: Julia Roberts bedeutet unschuldige Glückseligkeit, Jack Lemmon eine Reminiszenz an Billy Wilders Gesellschaftssatiren, Bruce Willis eine bewaffnete Gerechtigkeitsmaschine und Peter Gallagher ein Vertreter in Sachen Sex, Lies an Videotapes.

Dieses Spiel macht viel zu viel Spaß (bei der Premiere sah man die Zuschauer ständig mit den Zeigefingern herumfuhrwerken und flüstern: Kuck mal, da ist sogar...), als daß man den vielen Stars, die sich Altman zur Verfügung gestellt haben, ihren „Protest“ abnehmen würde. Die Hommage an good old Hollywood und an sich selbst, die sie in Wirklichkeit alle nette Jungs und Mädels von nebenan geblieben sind, die ist irgendwie stärker zu spüren, als die angebliche Wut auf den Kommerz, der die Kunst verdrängt — und warum auch nicht?

Je mehr aber das alte Hollywood sentimentalisiert wird, desto bereitwilliger wird heute jedes halbwegs anspruchsvolle Großprojekt als der gemeinsame Nenner gefeiert, auf den wir uns noch alle einigen können. Daß dabei die übermäßig großzügig verteilten Lorbeeren im Falle des Players mal wieder dem Regisseur aufs Haupt gedrückt werden — der eigentlich nichts weiter getan hat, als dieselbe Geschichte, die er schon in Nashville, in Buffalo Bill oder in Popeye erzählt hat, nach Hollywood zu transferieren — dem Regisseur also, und nicht dem Drehbuchschreiber Michael Tolkin, ohne dessen Witz das Ganze wie ein nasser Sack zusammenfallen würde, das ist eben typisch Hollywood.

The Player. Regie: Robert Altman, Buch: Michael Tolkin, Mit Tim Robbins, Greta Scacchi, Fred Ward, Whoopie Goldberg u.v.a., USA 1992, ca. 90Minuten.

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