piwik no script img

Auf zum Kriegstanz-betr.: "Ost-Bewegung: Das Gespenst ist schon tätig" von Wolfgang Gast, taz vom 3.7.92

Betr.: „Ost-Bewegung: Das Gespenst ist schon tätig“ von Wolfgang Gast, taz vom 3.7.92

Heilig's Blechle! Reinkarnation ist doch schwieriger, als ich dachte. Nun schweben die Seelen von „Geronimo“, „Sitting Bull“ und „Big Foot“ — der großen Einiger der Indianerstämme im Kampf gegen die raffsüchtigen und wortbrüchigen Bleichgesichter — über den Stämmen der Ossis, ohne recht zu wissen, in wen sie denn einfahren sollen. Es sollten schon die ehrlichsten und unbestechlichsten der Tapferen sein. Die Zeit drängt!

Seitdem das Volk der Ossis dem Volk der Wessis — das mit Gastgeschenken in Form von Bananen, Tand und großen Worten anrückte — Zutritt zu ihrem territory gewährten, hat sich dieses eingenistet und mit Zustimmung vieler Verblendeter aus allen Stämmen dem „Großen weisen Vater“ in Bonn die Macht zugeschanzt. Ab da begann der große Marsch ins Elend. So werden die Existenzgrundlagen der Ossis im größten tradingpost der Wessis mit Namen „Treuhand“ veruntreut. Die Wigwams werden weggenommen oder unbezahlbar gemacht. Die Waren in den Handelsposten der Ko(h)lonialherren werden immer teurer und für viele bald unerschwinglich sein, und so weiter.

Um den Marsch der Verelendung rechtzeitig vor dem Einzug ins Reservat zu stoppen, mögen denn die Geister bald in die Klügsten und Weitsichtigsten einfahren. Die tapfersten Krieger aller Stämme mögen sich dann unter deren umsichtiger Führung zum Widerstand wappnen. Sie sollten bald mit Frauen und Kindern zum Wigwam des „Großen weisen Vaters“ nach Bonn ziehen und einen machtvollen Kriegstanz veranstalten. Sie sollten immer wieder vor die Regierungssitze zum großen Palaver ziehen und ihre Unzufriedenheit laut und deutlich äußern. Die Sterne stehen günstig. Der große Geist ist auf der Seite der Mutigen. Hans Gräfer, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen